Springe zum Inhalt

Besuch am Grab der Limburger Vorfahren

Auf dem jüdischen Friedhof in Limburg gibt es zahlreiche Gräber von Verstorbenen mit dem Namen Rosenthal. Ein verbreiteter Name in jüdischen Familien vor der Shoah. Das Grab von Clara und Hermann Rosenthal, sie verstorben 1919, er 1933, besuchten nun Aliza Appel und ihre Tochter Rebecca. Es sind Nachkommen der Familie Rosenthal in Limburg, die an der Schiede ein bekanntes Kaufhaus betrieben.

Claire, so hieß die Mutter von Aliza Appel, hatte als Zwölfjährige Limburg verlassen. Claire war die Enkelin von Hermann und Clara Rosenthal und ihr Vater Julius hatte das Geschäft, in dem sich heute der Bezirksverband der Caritas mit seinem Anziehpunkt befindet, von seinem Vater übernommen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde es für jüdische Geschäftsleute immer schwieriger zu überleben und so schloss Julius Rosenthal 1935 das, so der Zeitzeuge Sigmund Sachs, „modernste Kaufhaus Limburgs“, das bereits über Aufzüge verfügte. Im Januar 1936 wurde es dann an die Familie Kurtenbach verkauft, die ebenfalls in der Bekleidungsbranche aktiv war.

Die beiden Besucherinnen beschreiten den Weg über den jüdischen Friedhof in Limburg nicht allein. Begleitet werden sie von Bürgermeister Dr. Marius Hahn, Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker und Frank Mach, der den Kontakt zu den Nachkommen der Rosenthals hergestellt hat. „Meine Großmutter hat früher für die Familie Rosenthal im Haushalt oder der Kinderbetreuung gearbeitet“, erzählt der aus Lindenholzhausen stammende Mach. Und irgendwann fiel ihm beim Stöbern in alten Fotos ein Bild mit zwei Kindern in die Hände, die nicht zur Familie gehörten.

Es war ein Bild von Claire Rosenthal und ihrem Bruder Kurt. Sie hatten mit ihren Eltern nach dem Verkauf des Hauses bereits 1936 das Deutsche Reich verlassen und fanden in den USA eine neue Heimat und hatten sich dort den neuen Nachnamen Rostan zugelegt. Zu Aliza Appel, der Tochter von Claire, gelang es Frank Mach, dann Kontakt aufzunehmen und sie zu einem Besuch in der Stadt ihrer Vorfahren zu überzeugen.

Für Aliza ist es der zweite Aufenthalt in Limburg, vor einigen Jahren war sie schon einmal in der Stadt an der Lahn, aber nur für wenige Stunden. Diesmal sind es ein paar Tage, die sie mit ihrer Tochter auf den Spuren ihrer Vorfahren verbringt. Für Rebecca wiederum ist es der erste Aufenthalt in Limburg, den sie in eine vierwöchige Europatour eingebettet hat. Die Nachkommen der Rosenthals leben in der Nähe von Philadelphia.

Natürlich wurde und wird es weitergegeben, was vielen Vorfahren in der NS-Zeit widerfahren ist. „Wir haben viele schreckliche Geschichten gehört, die jüdische Männer und Frauen nach ihrer Flucht in die USA erzählt haben. Schreckliche Geschichten über Angehörige, die sie in Deutschland und in Europa zurückgelassen haben“, erzählt Aliza Appel dem Limburger Bürgermeister Dr. Marius Hahn, der sich erfreut über den Besuch zeigt. Nach seiner Einschätzung ist es keineswegs selbstverständlich, an Orte zurückzukehren, die die Vorfahren verlassen mussten, um ihr Leben zu retten und wo es auch viele Opfer gegeben hat.

Beim Gang zwischen den Gräbern gibt die Besucherin auch eine Lebensweisheit ihres Großvaters zum Besten: „Habe die Koffer immer gepackt und verfüge über einen gültigen Pass, damit du jederzeit aufbrechen und auf Reisen gehen kannst“. Die aktuelle Entwicklung in der Welt oder auch die im November bevorstehende Präsidentenwahl in den USA haben diese Lebensweisheit wieder in Erinnerung gerufen und für Aliza Appel kommt mit gepackten Koffern und gültigem Pass dann nur ein Ziel infrage, das Land, dass ihre Vorfahren verlassen mussten.

Bereits vor dem Friedhof hatte Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker den beiden Besucherinnen eine kleine Dokumentation über die Firma und die Familie Rosenthal in Limburg überreicht. Die Familie stammt aus Hadamar und erwarb im Jahr 1911 das dem Limburger Bahnhof gegenüberliegende bebaute Grundstück an der Schiede, welches zuvor der Familie Hammerschlag gehörte.

Das alte Gebäude wurde abgerissen und ein neues Kaufhaus errichtet, wobei die Eisenbahnverwaltung zunächst Einspruch gegen das Bauvorhaben einlegte, da der vor dem Grundstück befindliche Bahnübergang für den Verkehr besser gestaltet werden sollte, sogar von einer Unterführung war dabei die Rede. Doch der Einspruch wurde abgelehnt, da das Vorhaben zu viel Aufwand erfordere und dafür die Zeit noch nicht gekommen sei. Das dann errichtete Kaufhaus blieb dann bis zum Zwangsverkauf 1936 im Besitz der Familie Rosenthal. © Stadt Limburg