Am Sonntag, den 9. November 2025, um 19:30 Uhr, präsentiert Weilburg erinnert e. V. in Kooperation mit dem Theater odos aus Münster das eindrucksvolle Theaterstück „Treppe ins Ungewisse“ in der Stadthalle Weilburg.
Das Werk von Heiko Ostendorf widmet sich einem der grausamsten, aber bis heute oft verdrängten Kapitel der NS-Verbrechen: der sogenannten „Euthanasie“. Darunter verstand der nationalsozialistische Staat die systematische Ermordung und Zwangssterilisation von Menschen, die als „lebensunwert“ galten – Menschen mit psychischen Erkrankungen, geistiger Behinderung oder sozialer Auffälligkeit. Zwischen 1939 und 1945 wurden Hunderttausende Patientinnen und Patienten in Heil- und Pflegeanstalten ermordet.
Im Mittelpunkt steht eine Staatsanwältin, gespielt von Beate Reker, die gemeinsam mit ihrem Assistenten, dargestellt von Johan Schüling, versucht, die Verbrechen in den Psychiatrien juristisch aufzuarbeiten. Ihre Bühne ist ein Aktenzimmer – eine Wand voller sauber abgehefteter Ordner, hinter deren Ordnung sich unermessliches Leid verbirgt. Schritt für Schritt rekonstruiert sie die Geschehnisse und stößt dabei auf eine zweite Geschichte: die des unzureichenden juristischen Umgangs nach 1945. Viele der Ärzte, die an der Ermordung von Patientinnen und Patienten beteiligt waren, kehrten schon bald nach Kriegsende in verantwortliche Positionen zurück.
Das Theaterstück beleuchtet exemplarisch den Fall des Arztes Hans-Bodo Gorgaß, der an den Morden in der Tötungsanstalt Hadamar beteiligt war. Dort wurden fast 15.000 Menschen ermordet – durch Gas, Medikamente, Injektionen oder gezielten Nahrungsentzug. Gorgaß wurde 1947 zwar zum Tode verurteilt, doch in der jungen Bundesrepublik wurde das Urteil in eine Haftstrafe umgewandelt. Später arbeitete er unbehelligt in der Pharmaindustrie – ein Schicksal, das stellvertretend für das weitgehende Versagen der Nachkriegsjustiz steht.
Im Wechsel zwischen Zeitzeugenberichten, Dokumenten und Urteilstexten verknüpft die Inszenierung historisch belegte Schicksale mit der moralischen Auseinandersetzung einer Frau, die sich fragt, wie Schuld, Mitverantwortung und Erinnerung zusammenhängen. Die zentrale Botschaft des Stücks lautet daher: „Das einzige Urteil ist die Erinnerung.“
„Treppe ins Ungewisse“ verweist zugleich auf die konkreten Orte der Vernichtung. Gemeint ist die Treppe hinab in die Keller und Gaskammern von Hadamar – die „Treppe ins Ungewisse“, die Überlebende in ihren Erinnerungen immer wieder beschreiben. Eine Zeitzeugin, deren Stimme im Stück erklingt, sagt:
„Also, die Treppe, die verfolgt mich. Die Treppe ins Ungewisse. Die Treppe, von der habe ich schon geträumt. Von der Treppe, die in den Keller geht. Zu den Gaskammern… Ich habe gedacht: Du lieber Gott!“
Mit klarer Sprache, eindringlicher Musik und einer durchdachten Bühnenästhetik gelingt es dem Theater odos, die Geschichte ohne Pathos, aber mit großer Intensität zu erzählen.
Die Aufführung in Weilburg ist Teil der Erinnerungswochen zum 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938. Mit dem Theaterabend möchte Weilburg erinnert e. V. einen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit Ausgrenzung, Menschenwürde und Erinnerungskultur leisten. Gefördert wird die Veranstaltung durch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung.
Das Stück beginnt am Sonntag, dem 9. November 2025, um 19:30 Uhr in der Stadthalle Weilburg, Langgasse 26. Der Eintritt beträgt 13 Euro für Erwachsene, 10 Euro ermäßigt mit Nachweis sowie 5 Euro für Schülerinnen, Schüler und Studierende. Karten sind im Vorverkauf unter www.theater.weilburg-erinnert.de oder an der Abendkasse erhältlich. © Weilburg erinnert e.V.