Springe zum Inhalt

Fast alles wie bei den Großen in Limburgs Kinderspielstadt

Auf den Beauty Salon hat es einen Angriff mit Wasserbomben gegeben. Die Polizei versucht den Fall aufzuklären. Josia, Emilia und Tom haben die Ermittlungen aufgenommen und verfolgen schon eine heiße Spur, denn der oder die Täter haben sichtbare Wassertropfen hinterlassen. Den Tätern droht eine Geldstrafe, die in Lahntalern gezahlt werden muss. Oder, was vielleicht noch abschreckender wirkt: Sie müssen im Beauty Salon arbeiten.

Die Polizei, der Beauty-Salon und auch die Wasserbomben-Werfer sind Bestandteil der Kinderspielstadt im Nachbarschaftszentrum Nord in Limburg. Das Gebäude und ein Teil des Umfeldes verwandeln sich für zwei Wochen in „Unsere kleine Stadt Limburg“. 50 Kinder im Alter zwischen acht und 13 Jahren leben hier täglich von 8.30 bis 15 Uhr nach festen Regeln, doch in einem sehr dynamischen Verbund. Fast alles ist wie bei den Großen, aber doch ganz anders, eben eine Kinderspielstadt.

Natürlich gibt es Geld in dieser besonderen Stadt. Das wird gebraucht zum Einkaufen und wird verdient durch die tägliche Arbeit. Wenn Smilla und Helene in ihrem Laden arbeiten, dann geht Ware gegen Geld über den Verkaufstisch. Josi kauft gerade Spritzen ein, die in der Kunstwerkstadt benötigt werden, um Farbe auf die Leinwand zu spitzen. „Wenn wir etwas nicht haben, dann nehmen wir Bestellungen auf, unsere Betreuer besorgen es dann und am nächsten Tag händigen wir es an unsere Kunden aus“, erzählt Smilla.

Manchmal werden die Rollen ganz schnell getauscht. Zum Beispiel als ein Kunde mit einer Mini-Tic-Tac-Packung kommt und die ist heiß begehrt. Smilla und Helene treiben den Preis in die Höhe, beide wollen die Packung haben.

„Die Kinder entwickeln hier ihre eigene Stadt, wir als Betreuungsteam halten uns ziemlich im Hintergrund“, sagt Vanessa Soukup, Mitarbeiterin der städtischen Jugendarbeit. Dennoch steht den Kindern ein recht umfangreiches Team zur Seite, rund 15 Personen sind dafür tagtäglich im Einsatz. Das Team besteht aus hauptamtlichen Kräften der Stadt, ehrenamtlichen Betreuern, Kooperationspartnern wie der Dombibliothek oder der Kreissparkasse und der Volksbank sowie Praktikantinnen der Adolf-Reichwein-Schule.

Die kleine Stadt besteht aus Betrieben wie dem Kaufhaus oder dem Beauty-Salon, es gibt auch eine Bäckerei mit Café, einen Freizeitpark oder ein Tanzstudio, das Kunstlabor oder die Bibliothek und das Redaktionsteam einer Zeitung. Und natürlich gibt es die Polizei und mit Jakob auch einen Bürgermeister, der ein Dienstzimmer hat und am dritten Tag der Freizeit gewählt worden ist. Ein Bürgerbüro und das Arbeitsamt runden das Angebot an Institutionen ab. Wer in der Kinderspielstadt dabei sein will, der benötigt einen Bürgerausweis.

„Mehr Geld für alle“, mit diesem Slogan setzte sich Jakob bei der Bürgermeisterwahl durch. Und er hat es auch schnell umgesetzt. Doch dann wurde alles sofort teurer. Also ist die Lohnerhöhung wieder rückgängig gemacht worden. Alle verdienen das gleiche Geld. Fünf Lahntaler pro Stunde, sofern sie einer Beschäftigung nachgehen. Auch der Bürgermeister bekommt nicht mehr. „Mehr Jobs, das ist mein Ziel“, erklärt der Bürgermeister der Kinderspielstadt. Vieles klappt nach seiner Einschätzung richtig gut, aber eben nicht alles.

Deshalb gibt es auch eine Polizei. Die war am Anfang gar nicht vorgesehen, räumt Vanessa Soukup ein. Aber die Bewohnerinnen und Bewohner der Kinderspielstadt haben sie für notwendig erachtet und deshalb ist sie auch nach einer Anlaufphase ständiger Begleiter des Tagesablaufs.

Morgens zwischen 8.30 und 9 Uhr stehen die Jobs und Arbeitsplätze zur Verfügung und werden vom Arbeitsamt für einen Tag vergeben. Wer früh da ist, hat die größte Auswahl. Wer spät ist, muss nehmen, was noch vorhanden ist oder geht sogar leer aus, denn die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner der Kinderspielstadt ist größer als die Zahl der zu vergebenden Arbeitsplätze. „Es kommt dann auch schon mal vor, dass sich die Teilnehmenden als Bettler ihre Lahntaler verdienen“, sagt Christian Spiegelberg als Leiter des Amts für soziale Betreuung. Vorgesehen war das nicht, aber es ist möglich. Genauso wie auch andere unvorhergesehene Arbeiten der Kreativität der jungen Teilnehmenden entspringen können.

Nach seinen Angaben gilt es, spielerisch Zusammenhänge zu erkennen und zu erfahren. Für was die Kinder anschließend ihr verdientes Geld ausgeben, das ist ganz unterschiedlich. Viele besuchen den Freizeitpark, andere kaufen Kuchen. Das haben ganz viele gemacht, so dass das Stück Kuchen auch preislich erheblich gestiegen ist: Von einem auf vier Lahntaler. Was begehrt ist, wird eben teuer – wie im richtigen Leben oder im Leben der Großen.

Die Idee einer Kinderspielstadt, in anderen Kommunen gibt es ähnliche Angebote durchaus schon etwas länger, kam nach Angaben von Spiegelberg auch deshalb auf, um die Zahl der Kinder, die an der Ferienfreizeit der Stadt teilnehmen können, zu erhöhen. „Bei unseren Angeboten in den vergangenen Jahren gab es immer Wartelisten und wir konnten nicht alle berücksichtigen, die teilnehmen wollten“, macht er deutlich. Konnten in der Vergangenheit 20 bis 25 Kinder pro Veranstaltung teilnehmen, könnten nun bis zu 80 Kinder die über zwei Wochen laufende Kinderspielstadt besuchen. Aktuell sind es 50 Kinder und nicht alle aus Limburg, sondern aufgrund von freien Kapazitäten auch einige aus den Nachbarkommunen.

„Ziel ist es, mit der Kinderspielstadt ein dynamisches Angebot zu machen, dass die Kinder selbst gestalten können. Dabei gibt es keine festen Strukturen, jedoch klare Regeln, die einzuhalten sind“, macht Spielberg deutlich. Das neue Angebot der städtischen Jugendarbeit wurde nach seinen Angaben nur möglich, da Anke Stöver als Honorarkraft erhebliche Vorarbeit geleistet und zusammen mit einem Kernteam die Kinderspielstadt auf die Beine gestellt habe.

Die Kinder werden mit einem Mittagessen versorgt, das jeden Tag frisch zubereitet wird. Nach der Mittagspause geht es dann auch schon mal in die Disco, in der sich normalerweise das Tanzstudio befindet. Und jeder Tag in der Kinderspielstadt schließt mit einer Bürgerversammlung, die vom Bürgermeister geleitet wird und auf der alles besprochen wird, was anliegt.

Seit Montag, 15. August, dient das Nachbarschaftszentrum in der Nordstadt als Kinderspielstadt, am kommenden Freitag, 26. August, verlässt sie das Gebäude wieder. In den vergangenen Tagen haben sich die Regieeingriffe des Betreuerteams sehr in Grenzen gehalten. Nur einmal war dies notwendig. „Der Verkauf von Süßigkeiten im Kaufladen mussten wir beenden, indem wir den Nachschub unterbrochen haben“, erzählt Vanessa Soukup. Da ging doch zu viel Ware über den Tisch, zumal es durchaus eine Grundversorgung auch mit Süßigkeiten in der Kinderspielstadt gibt. © Stadt Limburg