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Ein gescheitertes Leben? – Literatur im Gespräch

Der Literaturgesprächskreis trifft sich am Dienstag, den 16. Juli 2024 ab 19.30 Uhr in den Räumen der Bücherei Niederbrechen zum Austausch über John Williams wiederentdecktes Werk „Stoner“. Das Buch wurde erstmals 1965 veröffentlicht und erschien 2013 erstmals in deutscher Sprache.

William Stoner wird 1891 nahe dem Dorf Booneville in Missouri geboren. Ein Leben voller Arbeit und Entbehrung auf der elterlichen Farm scheint vorgezeichnet, auch als ihn sein Vater nach der High School überraschend auf die Universi-tät in Columbia schickt, um dort ein Studium der Landwirtschaft zu absolvieren. Ein Einführungskurs in Englischer Literatur, vom unnahbaren Dozenten Archer Sloane gehalten, entfacht in Stoner eine ungeahnte Leidenschaft für Literatur. Er wechselt sein Studienfach und kehrt auch nach dem Abschluss als Magister der Literaturwissenschaft nicht auf die elterliche Farm zurück, sondern bleibt auf Betreiben Sloanes als Doktorand und Dozent an der Universität.
Zwei Freunde findet Stoner unter seinen Kommilitonen: den fachlich brillanten Da-vid Masters und den eher freundlich-geselligen Gordon Finch. Beide melden sich nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg als Freiwil-lige, während Stoner in Columbia bleibt und an seiner Doktorarbeit schreibt. Mas-ters fällt in Frankreich, Finch kehrt zurück und macht Karriere an der Universität. Er steigt rasch zum Dekan für Kunst und Wissenschaften auf - Stoner bleibt Assistenzprofessor.
Stoners im Jahr 1919 geschlossene Ehe mit Edith Bostwick, Tochter einer wohlha-benden Familie aus St. Louis, die infolge des Schwarzen Donnerstags 1929 ruiniert wird, bleibt unglücklich. Edith, die ihrem Mann vorwirft, ihr nicht den angestammten Lebensstandard bieten zu können, kränkelt und führt einen regelrechten Kleinkrieg gegen ihren Mann. Dieser zieht sich mehr und mehr aus dem gemeinsamen Haus in die Universität zurück. Auch die 1923 geborene Tochter Grace sorgt nicht für das erhoffte Familienglück. Edith entfremdet das Mädchen seinem Vater und erzieht es in einer Strenge, der die Tochter mit 18 in eine Schwangerschaft und frühe Ehe ent-flieht. Ihr Mann stirbt im Zweiten Weltkrieg, und die von der Erziehung ihres Sohnes überforderte Grace beginnt zu trinken.
Nach dem Tod Archer Sloanes wird dessen Nachfolger Hollis N. Lomax zu Stoners Gegenspieler an der Universität. Der Konflikt entzündet sich an der Bewertung von Lomax’ Assistenten Charles Walker, den Stoner durch eine Prüfung fallen lässt. Der kleinwüchsige Lomax unterstellt Stoner Vorurteile gegen Walkers körperliche Gebrechen und verfolgt Stoner von diesem Moment an mit unversöhnlichem Hass. Als er die Leitung der Fakultät übernimmt, wird Stoner mit Lehrverpflichtungen für Erstsemester akademisch weitgehend kaltgestellt.
Eine Liebesbeziehung mit der deutlich jüngeren Doktorandin Katherine Driscoll bringt im Herbst 1932 unerwartetes Glück in Stoners Leben. Doch während Edith in der Lage zu sein scheint, über die Affäre ihres Mannes hinwegsehen zu können, solange dieser sich nicht scheiden lässt, ist es schließlich der feindselige Lomax, der die Beziehung beendet. Er schädigt Driscolls Ruf und nötigt sie zum Wegzug aus Columbia. In der Folge altert Stoner merklich. An der Universität genießt er in-zwischen den Ruf eines Originals, doch weiß er nur zu gut, nicht mehr als ein mit-telmäßiger Dozent zu sein. Von seiner Geliebten liest er noch ein einziges Mal: Sie hat ihm ihre Dissertation gewidmet.
Im Jahr 1956 kommt es zu einer letzten Auseinandersetzung zwischen Lomax, der den Assistenzprofessor in Pension schicken will, und Stoner, der auf seiner Weiter-beschäftigung bis zur Altersrente beharrt. Doch dann beendet ein Darmtumor Stoners Universitätslaufbahn endgültig. Ihm bleiben noch wenige Wochen für einen geregelten Abgang, bevor eine Operation die Bösartigkeit des Tumors bestätigt. Auf dem Sterbebett wird Stoner bewusst, dass man sein Leben für gescheitert halten wird. Doch ihm scheint es das Wichtigste, dass er stets er selbst geblieben ist.

Die Teilnehmer des Literaturgesprächskreises treffen sich ca. alle sechs bis sieben Wochen, um sich über das gelesene Werk auszutauschen, die Vorschläge stam-men aus dem Kreis der Teilnehmer. Jeder, der für Literatur aufgeschlossen ist, ist als Bereicherung stets willkommen. Allen Interessierten steht die Bücherei Nieder-brechen am Sonntag von 9.30 bis 12.00 Uhr, am Mittwoch von 18.30 bis 21.00 Uhr und am Donnerstag von 15.30 bis 16.30 Uhr offen.

Von Jürgen Schühler