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Asbestsanierung auf Mittelhessens höchster Baustelle

Arbeitsschutz und Asbestsanierung: Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich begleitet eine Baukontrolle auf dem Funkturm Hoherodskopf

Gießen. 75 Meter über dem Gipfel des Hoherodskopfes befindet sich derzeit die höchste Baustelle von Mittelhessen. Nach einem halben Jahrhundert muss der Funkturm saniert werden. Der Anlass: Die Stahlbetonunterseite der unteren Plattform weist altersbedingte Schäden auf. Dazu ist noch unerwartet Asbest aufgetaucht. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen ist für beides die Kontrollbehörde, sowohl für den Schutz der Bauarbeiter als auch für die ordnungsgemäße Asbestsanierung. RP-Mitarbeiter Stefan Runzheimer ist nun während einer weiteren Baukontrolle von Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich begleitet worden. Der informierte sich in luftiger Höhe über den Fortgang der aufwendigen Arbeiten, die voraussichtlich noch bis Jahresende dauern werden.

„Der Funkturm zählt zu den weithin sichtbaren Wahrzeichen für Mittelhessen“, sagt RP Ullrich, während eine Windböe an seiner Jacke rüttelt. Aber auch an Wahrzeichen nagt der Zahn der Zeit. Der Regierungspräsident blickt nach einer Fahrt im Aufzug und der Begrüßung im Büro von Timo Hildebrand, dem Bauleiter der beauftragten Firma Geiger Bauwerksanierung GmbH & Co. KG, auf der unteren der zwei kreisrunden Plattformen aus einer Höhe von 75 Meter in die Ferne und damit fast exakt 900 Meter über dem Meeresspiegel. Die Spitze des Turms liegt noch einmal fast 60 Meter höher. Für einen Moment bestimmt die Kulisse das Programm. Die Frankfurter Skyline ist am Horizont deutlich zu erkennen genauso wie der Dünsberg oder die Wasserkuppe. Was ebenfalls deutlich wird: Der Blick über das Baugerüst am Rande der Plattform nach unten ist definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst.

Den Auftrag zur Sanierung hatte die DFMG Deutsche Funkturm GmbH gegeben. Die Eigentümerin mit Sitz in Leverkusen betreibt nicht nur den Funkturm auf dem Hoherodskopf, sie kümmert sich deutschlandweit mehr als 36.000 Türme und Mobilfunkmasten. Davon sind rund 500 Funktürme wie der Hoherodskopf. Für die Beteiligten sind es Routinearbeiten. Für Baukontrolleur Runzheimer vom RP ist es hingegen eine außergewöhnliche Baustelle. In einer frühen Phase hatte er bereits überprüft, ob alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden. „Die asbesthaltige Fugenmasse stellte eine besondere Herausforderung dar. Obwohl an der Außenseite des Turms gelegen, musste diese vor Beginn der Arbeiten eingehaust werden, um eine Verschleppungskontamination der Umgebung zu verhindern“, berichtet er rückblickend von einem ersten Vor-Ort-Termin im Juni.

Im Büro von Bauleiter Hildebrand sind beide ein paar Minuten zuvor den aktuellen Stand der Sanierung durchgegangen. Die asbesthaltige Fugenmasse ist entfernt worden und der betroffene Beton abgestrahlt worden. Jetzt soll Spritzbeton neu aufgetragen werden. An diesem Tag sind sieben Arbeiter einer beauftragten Spezialfirma auf der Baustelle, um mit einer neuen Spritzmaschine den Beton wieder instandzusetzen. „Die Unterlagen zu der Maschine möchte ich gerne mal sehen“, sagt der Baukontrolleur. Er informiert auch über neue Richtlinien, die Auswirkungen für die Baustelle haben können. 1700 sogenannte Verankerungstaschen sind in den Turm hineingestemmt worden, um die Spritzarbeiten noch besser zu befestigen.

Stefan Runzheimer fragt auch nach der Unterweisung der externen Arbeitskräfte. „Die wurden genauso unterwiesen wie unsere eigenen Leute“, erklärt Projektleiter Hildebrand. Der circa 20 Quadratmeter Raum ist gut gefüllt. Mit dabei sind ebenfalls Hans-Jürgen Neubauer und Anton Neubauer (Absolvent für ein Duales Studium) von der DFMG sowie Andreas Schlaich von der Bergwacht Schotten. „Die Baustelle erfordert ein besonderes mit der Bergwacht abgestimmtes Rettungskonzept, damit Verletzte jederzeit sicher dem Rettungswagen übergeben werden können“, erläutert RP-Kontrolleur Runzheimer. Ebenfalls dabei ist Dr. F. Josef Follmann von der Office-4 Baubetreuung GmbH aus Wuppertal. Er ist als Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator der Baustelle von der Eigentümerin DFMG beauftragt worden.

Zwischen den beiden gigantischen Betonscheiben des Turms befinden sich zwei Ebenen, oben liegt das Betriebsgeschoss, in dem sich das Büro befindet, wo auch die Systemtechnik der Funkkunden steht und der Aufzug ankommt. Danach geht es über eine Treppe hinunter zum Konstruktionsgeschoss und hinaus zur offenen Plattform. Da, wo der sensationelle Ausblick wartet, ist aber auch eine spektakuläre Sicherungsmaßnahme verankert. „Die Baustelle auf dem Funkturm stellt an die Arbeitssicherheit besondere Anforderungen“, erklärt Stefan Runzheimer. So galt es, ein Gerüst in luftiger Höhe am Rande und flächendeckend unterhalb der unteren Kanzel zu errichten. Das muss auch starken Wind standhalten, der hier regelmäßig pfeift. Und dazu braucht es Spezialfirmen.

Eine Arbeit, die viele Gefahren birgt. Zunächst wird dafür am Fuß des Turmes aus Trägerelementen ein Stahlgerüst in der Form eines Tortenstücks zusammengebaut. Mittels Stahlseilen wird jedes einzelne vorgefertigte Element hinauf unterhalb der runden Kanzel gezogen, das dann in einem aufwändigen Verfahren an Eisenstäben montiert wird. Auf diese Weise entsteht Element für Element ein Gerüst das direkt in den Beton des Turmes mit dicken Schrauben und Dübeln befestigt ist. Schwere Bohlen schließen die Lücken zwischen den Elementen. „In Bauberufen ist das Risiko, sich bei der Arbeit zu verletzen, besonders hoch, was bei einem Funkturm mit seinen zusätzlichen Gefahrenpunkten zusätzlich für den Arbeitsschutz herausfordernd ist“, sagt Stefan Runzheimer.

Er weist auf eine zehn Zentimeter große Öffnung im Stahlbeton hin, an der Arbeiter hängenbleiben könnten. Es wird sofort mit einer Metallplatte abgedeckt. Nach einem Schritt am Rande der Plattform auf das Gerüst führt eine Leiter hinunter zur eigentlichen Baustelle. Der Baukontrolleur vom Regierungspräsidium ist zufrieden mit dem, was er sieht. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen gegen Absturz wurden getroffen, die notwendigen Verkehrswege werden freigehalten und das Rettungskonzept wird umgesetzt. Er macht sich Notizen. Auf dieser Baustelle gab es bislang keine gravierenden Mängel und gibt es auch heute nicht.

„Meine Kolleginnen und Kollegen stellen leider häufig fest, dass Arbeitsschutz kein Selbstläufer ist. Daher sind Kontrollen unverzichtbar“, berichtet Regierungspräsident Ullrich wieder zurück auf dem Parkplatz angekommen. Dabei wird immer hinterfragt, ob der Arbeitgeber die mit der Tätigkeit verbundenen Gefährdungen beurteilt hat und ob alle notwendigen Schutzmaßnahmen getroffen worden sind. „Vor allem wird von uns überwacht, ob die festgelegten und umgesetzen Schutzmaßnahmen für die jeweiligen Gefährdungen ausreichend sind“, erklärt Stefan Runzheimer. Dies ist auch der zentrale Bestandteil der normalen Baustellen- und Betriebsüberwachungen durch die Aufsichtskräfte der Arbeitsschutzdezernate. „Letztendlich geht es vorrangig immer darum, den nächsten Unfall und das damit verbundene menschliche Leid zu verhindern.“ © RPGießen