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9. November: Erinnern ist Voraussetzung für „Nie wieder“

86 Jahre nach der Zerstörung der Limburger Synagoge an der Schiede erinnerten am 9. November 2024 rund 70 Teilnehmende an die Reichspogromnacht 1938. Der „Zwischenschritt“ nur späteren Vernichtung jüdischen Lebens hatte auch in Limburg zu Angriffen auf jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger geführt, zur Beschädigung von Geschäften und Wohnungen.

Es ist der Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Limburg, Elena Kopirovskaja, vorbehalten, zu dieser Gedenkveranstaltung zu begrüßen und auch zu verabschieden. Mit dem Dank an die Anwesenden für gezeigte Solidarität in schwierigen Zeiten beendete sie die Gedenkfeier, die zum ersten Mal ausschließlich am Platz der ehemaligen Synagoge an der Schiede stattfand. Durch die vom Eigentümer ermöglichte Nutzung des Hofes fanden alle Teilnehmenden Platz, ohne dass der Verkehr auf der Schiede behindert wurde.

In ihrer Begrüßung sprach die Vorsitzende von einem schwierigen Jahr für jüdische Menschen weltweit, denn nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres und dem sich daraus entwickelnden Gegenschlag Israels nahmen die Bedrohung und Aggression gegen jüdische Bürgerinnen und Bürger zu. Auch die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Limburg sind davon nicht verschont geblieben, was sich an den Sicherheitsvorkehrungen zum Fest einer zweiten Torarolle zeigte. „Ich bin überzeugt, dass wir wie in der Vergangenheit auch diesmal Aggression und Gewalt überstehen“, sagte die Vorsitzende, die natürlich auch an die Ereignisse vor 86 Jahren in Limburg erinnerte.

Limburgs 1. Stadtrat Michael Stanke erinnerte daran, dass der 9. November 1938 einen Vorlauf hatte, die Aggression und Gewalt an diesem Tag das Ergebnis einer Entwicklung war. Er verwies in seinem Grußwort an die Situation im Jahr 1903, als die damals neue Synagoge an ihrem Standort eingeweiht wurde. Ein Festtag keineswegs nur für die jüdische Bevölkerung, sondern für die ganze Stadt, deren Bewohnerinnen und Bewohner deshalb von einer jüdischen Zeitung attestiert bekamen, in „einer Stadt der Toleranz (zu) wohnen“.

35 Jahre später, so Stanke, war davon nichts geblieben. Die heutige Forderung „Nie wieder“ müsse daher auch die Entwicklung vor der Machtergreifung der Nazis und vor dem 9. November in den Blick nehmen. „Sind wir wachsam und streitbar für eine Demokratie, die uns seit dem Ende der Nazi-Diktatur in der Bundesrepublik begleitet. Erteilen wir alle politischen Kräften eine Absage, die die Demokratie abschaffen worden“, machte Stanke deutlich.

Einen festen Tag der Erinnerung hält der katholische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Johannes Laubach, für geboten. Die Forderung „Nie wieder“ bedeute schließlich auch, sich an das zu erinnern, was sich „nie wieder“ ereignen soll.Wenn der 9. November jedoch ein ganz alltäglicher Tag sei, mit Jahreshauptversammlungen, Konzerten und mehr, könne das mit der Erinnerung nicht klappen. Und wer den Tag der deutschen Einheit jedes Jahre wieder neu feiern könne, oder Weihnachten, Ostern, der könne sich an einem Tag im Jahr auch an das erinnern, was nie wieder geschehen soll.

Nach dem jüdischen Totengebet, vorgetragen von Rabbiner Alexander Hofmann, erinnerten Pfarrer Markus Stambke (evangelische Kirche) und Pastoralreferentin Katharina Kunkel (katholische Kirche) nicht nur an das Leid in sowie vor und nach der Pogromnacht, sondern auch auch das Leid heute. Die Gewalt im Nahen Osten treffe viele Menschen, die in Frieden leben möchten. Und um diesen Frieden baten sie.

Dem Terror der Nationalsozialisten sind vor allem Menschen jüdischen Glaubens zum Opfer gefallen, doch auch Gewerkschafter, Kommunisten, Kranke und viele mehr wurden Opfer. 198 Opfer aus Limburg hat Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker bisher zusammengetragen, ihre Namen werden stets am 9. November verlesen. Unter denen, die die Namen verlasen, waren auch Schülerinnen und Schüler der Leo-Sternberg-Schule, die als Partner für die Stolperstein-Aktion in Limburg fungiert.

Im Rahmen der Gedenkfeier stellte Waldecker das Schicksal von Rosi Eschenheimer und ihres Sohns Rolf vor. Die aus Singhofen stammende Frau kam mit ihrem Sohn Rolf und ihrem Ehemann Albert 1928 nach Limburg. Die Ehe wurde jedoch wenige Jahre später geschieden, Albert starb bereits Ende 1933 in den Niederlanden. Mutter und Sohn wohnten unweit der Synagoge im Haus Schiede 15. Das Haus mussten sie 1937 verlassen, anschließend lebten sie in Frankfurt. Vor fast 83 Jahren wurden sie dann nach Minsk deportiert und ermordet. Seit Mai 2018 erinnern Stolpersteine an ihr Schicksal.

© Stadt Limburg