Wie hat ein langjähriger Richter in Limburg zuvor als Gestapo-Kommandeur in dem vom Deutschen Reich besetzten Frankreich und hier vor allem in Bordeaux und der umgebenden Region gewirkt, war er aktiv an Verbrechen beteiligt? Der Vortrag Ende Mai von Gerhard Bökel, ehemaliger Landrat des Lahn-Dill-Kreises und hessischer Innenminister (1994 bis 1999), auf Grundlage seines Buches „Bordeaux und die Aquitaine im Zweiten Weltkrieg“ stieß auf so großes Interesse, dass das Limburger Stadtarchiv und die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit als Veranstalter am Dienstag, 4. November, einen zweiten Termin anbieten.
In seinem Buch widmet sich Bökel unter anderem dem Richter Hans Luther, NSDAP-Mitglied seit 1935, der als Gestapo-Kommandeur in Bordeaux und der umgebenden Region (Aquitaine) aktiv war und der in der jungen Bundesrepublik als Richter am Landgericht in Limburg wirkte. Bökel ist am Dienstag, 4. November, zum zweiten Mal Gast im „Kulturzentrum“ (Dombibliothek). Die Lesung mit anschließender Aussprache beginnt um 19 Uhr. Aufgrund der begrenzten Anzahl an Plätzen ist eine Teilnahme nur mit Anmeldung möglich. Anmeldungen per E-Mail unter info@gcjz-limburg.de.
Gerade Tätern aus dem Bereich der Justiz gelang es oft, ihre berufliche Laufbahn nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches fortzusetzen. Das gelang auch Hans Luther. Er war er in Frankreich aufgrund seiner Tätigkeiten als Kommandeur des Repressionsapparates, der die Massenerschießungen von Geiseln und die Deportationen von Juden und Widerstandskämpfern anordnete, für einige Jahre in Haft. Doch mit Unterstützung durch den Marburger Juristen Prof. Dr. Erich Schwinge wurde Luther zu einer Haftstrafe verurteilt, die mit seiner Untersuchungshaft schon als verbüßt galt.
Zurück in Deutschland wurde Luther wieder in den Staatsdienst aufgenommen und fungierte als Richter am Landgericht Limburg. In seiner Amtszeit verfasste er sogar seine Dissertation, in der er die Auffassung vertrat, wonach die Partisanen der französischen „Resistance“ keine Widerstandskämpfer gewesen seien, sondern „Terroristen“, da sie nicht uniformiert gewesen seien. Doktorvater von Luthers Dissertation war der Marburger Professor Dr. Schwinge, der während der NS-Gewaltherrschaft oberster Militärrichter der sogenannten „Ostmark“ war und maßgeblicher Mitverfasser des einzigen juristischen Kommentars zum Wehrstrafrecht war. Nach dem Krieg lehrte Schwinge in Marburg.
Luther ist nicht der einzige NS-Täter, der in Limburg und in der Justiz seine berufliche Laufbahn in der jungen Bundesrepublik fortsetzen konnte. Vor einigen Jahren sorgte die Karriere des ehemaligen Landrats und Limburger Ehrenbürgers Heinz Wolf für Diskussionen und für die posthume Aberkennung der Ehrenbürgerwürde. Wolf war in der NS-Zeit als Anklagevertreter des Sondergerichts in Danzig aktiv, das für zahlreiche Blut- und Gesinnungsurteile verantwortlich war. Vor seiner politischen Karriere war Wolf als Staatsanwalt in Frankfurt und Limburg tätig.
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