Kaum ist es Herbst, beginnt für Fledermäuse schon der Winterschlaf
Regierungspräsidium Gießen appelliert, Rücksicht zu nehmen und alte Stollen und Gruben nicht zu betreten
Gießen. Mittelhessen ist reich an alten Stollen und Gruben, in denen früher Eisenerz und andere Bodenschätze gewonnen wurden. Dieser Altbergbau, aber auch Trinkwasserstollen, sind wichtiger Lebensraum und vor allem Rückzugsorte für viele Tierarten – entweder das ganze Jahr über oder nur zu bestimmten Zeiten. Schließlich ist es dort dunkel, meist gleichbleibend kühl, aber frostfrei. Und die Gefahr, von Raubtieren gefressen zu werden, ist gering. „Fledermäuse halten hier ab Oktober ihren Winterschlaf und verstecken sich meistens in tiefen Spalten und Rissen. Daher sind sie nicht leicht zu entdecken“, weiß Stefanie Specht vom Dezernat für Schutzgebiete des Regierungspräsidiums Gießen.
Bekannte Winterquartiere sind normalerweise verschlossen, vergittert oder bis auf kleine, für Fledermäuse durchlässige Schlitze zugemauert, um Fressfeinde wie Waschbären fernzuhalten. „Es ist wichtig, dass das auch so bleibt, dass Schlösser nicht aufgebrochen und Stollen nicht begangen werden“, appelliert sie insbesondere an Menschen, die sich gerne an Lost Places aufhalten. „Letzteres kann für Menschen auch gefährlich sein“, gibt Martin Heidlas, stellvertretender Leiter des Dezernats Bergaufsicht beim Regierungspräsidium, zu bedenken. „Gerade Laien können nicht einschätzen, ob die Standsicherheit noch gegeben ist oder überhaupt noch ausreichend Luft zum Atmen bleibt“, erklärt er. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass das Betreten und der Aufbruch von Türen und Schlössern von Stollen und Höhlen letztlich Hausfriedensbruch darstellen und somit strafbar sind. Denn auch wenn es auf den ersten Blick so scheint, als gehörten diese Anlagen niemandem, steht hinter jedem dieser Orte ein Eigentümer oder Rechtsnachfolger der ehemaligen Bergbaubetriebe.
Unabhängig von der Gefahr für Menschen – besonders für die streng geschützten Fledermäuse kann die Suche nach dem Nervenkitzel schlimme Folgen haben: „Die meisten Höhlenbewohner vertragen es nicht, wenn Menschen in ihren Lebensraum eindringen. Fledermäuse, die im Winterschlaf aufgeschreckt werden, sterben meistens an Entkräftung – ihre Energiereserven reichen durch das Erwachen und Hochfahren des Stoffwechsels nicht mehr bis zum nächsten Frühjahr. Sie magern ab und verhungern letztendlich“, erklärt Stefanie Specht. Ist der Zugang einmal geöffnet, sind die schlafenden Fledermäuse eine leichte Beute für Waschbären und andere Fressfeinde. Noch dazu bestehe die Gefahr, dass sie – versteckt am Boden unter Schieferplatten – totgetrampelt werden.
„Heimische Fledermäuse sind keine Blutsauger wie im Märchen. Stattdessen jagen sie Insekten und vertilgen massenweise Stechmücken. Dies sollte uns alle motivieren, unsere Fledermäuse zu schützen und ihre Winterquartiere nicht zu betreten“, bittet die Expertin. Das ist vom 1. Oktober bis zum 31. März laut Bundesnaturschutzgesetz ohnehin streng untersagt. Aber auch wenn die Fledermäuse ausgeflogen sind, tummeln sich hier das ganze Jahr über noch andere Tiere wie beispielsweise Feuersalamander, Springschwanz- und Spinnenarten, die es zu schützen gilt.
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