Oberbrechen - Die dramatisch steigende Zahl von Vorfällen, in denen Wölfe in Hessen, aber auch in der Region Limburg-Weilburg mit Weidetieren in Konflikt geraten, ist besorgniserregend. Anfang Juni ist es in Oberbrechen zu einem weiteren, grausamen Ereignis gekommen. Ein neugeborenes Kalb ist von der Weide verschwunden. Lediglich ein Hinterlauf konnte nach langer Suche noch gefunden werden.
Anlass genug für die Limburger FDP-Landtagsabgeordnete Marion Schardt-Sauer, gemeinsam mit Armin Müller (Vorsitzender des Verbandes der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer), sich bei dem betroffenen Landwirt und Pferdezüchter Roger Egenolf persönlich ein Bild der Situation vor Ort zu machen.
„Mir ist es ein wichtiges Anliegen, mit den Betroffenen direkt ins Gespräch zu kommen und die Hintergründe sowie die Auswirkungen des Vorfalles genau zu verstehen und meine Unterstützung anzubieten, denn leider werden Landwirte und Weidetierhalter in aller Regel von den offiziellen Stellen alleine gelassen.“ beklagt die sichtlich betroffene Politikerin.
Auch der Landwirt Roger Egenolf ist nicht gut auf die zuständigen Behörden, Institutionen und Verantwortungsträger zu sprechen. Statt schnell und unbürokratisch Hilfe zu erhalten musste er sich in der schwierigen Situation nicht nur zunächst langwierig damit aufhalten, überhaupt herauszufinden, wer denn in seinem Fall zuständig ist. Ihm schlugen obendrein auch noch unsachliche Unterstellungen, Trägheit und teilweise offenkundiges Desinteresse an einer zügigen Aufklärung des Sachverhaltes entgegen.
Egenolf dazu: „Man muss fast schon den Eindruck gewinnen, dass die Aufklärung der zunehmenden Zahl von Wolfs-Verdachtsfällen bewusst für die Betroffenen erschwert und verzögert wird.“ Über den Grund dafür können man nur spekulieren, so Egenolf weiter. So wie in seinem Fall gearbeitet wurde, drängt sich fast der Eindruck auf, dass möglichst viel im spekulativen Bereich verbleiben soll, damit das tatsächliche Ausmaß und -auf die gesamte Region oder das Land Hessen bezogen- auch bereits die reine Anzahl der Wolfs-Vorkommnisse heruntergespielt werden soll.
„Dieser Eindruck kann tatsächlich entstehen.“ pflichtet Armin Müller den geschädigten Landwirt bei. „Die viel zitierte Willkommens-Kultur für den Wolf führt im ländlichen Bereich zu gravierenden Problemen. Das Ende der Weidetierhaltung steht zu befürchten.“
Marion Schardt-Sauer vertieft diesen Gedanken: „Insbesondere aus der „Grünen Ecke“ wurde und wird seit Jahren immer wieder betont, dass die Weidehaltung von Mutterkühen am ehesten dem Tierwohl gerecht werde. Hinzu komme die natur- und landschaftspflegerische Wirkung dieser Haltungsform, insbesondere in Bereichen, in denen keine sinnvolle anderweitige Flächennutzung möglich ist. Dieser Anspruch wird aber schnell unter den Tisch fallen gelassen, wenn es um den Schutz der mittlerweile rund 3.000 Wölfe in Deutschland geht.“
Dabei haben nicht nur die hauptberuflichen Landwirte ein großes Problem. Genauso betroffen sind beispielweise auch die zahlreichen Hobby-Pferde-, Schaf- und Ziegenhalter, die sich angesichts der explodierenden Wolfspopulation berechtigterweise große Sorgen um das Wohl ihrer Tiere machen. Insbesondere die Pferdehalter sehen ihre teilweise sehr wertvollen, hochsensiblen Tiere schutzlos der Bedrohung durch Wolfsattacken ausgesetzt. Egenolf: „Neben dem Verletzungsrisiko besteht gerade bei Pferden zusätzlich die Gefahr, dass allein schon der Stress eines Wolfsangriffs dazu führen kann, dass das Pferd für den Reitbetrieb nicht mehr zu gebrauchen ist und im schlimmsten Fall sogar ein Trauma entwickelt und so zu einer Gefahr für sich selbst und Menschen wird. Für jeden der sein Pferd liebt ist das eine Katastrophe.“
„Neben dem konkreten Herdenschutz sind die Tierhalter aber auch noch mit ganz anderen Folgen konfrontiert.“ ergänzt Armin Müller. „So wird es beispielsweise immer schwerer bis unmöglich, noch einen entsprechenden Versicherungsschutz für Weidetiere zu bekommen, denn das Wolfsrisiko ist für die Versicherungsunternehmen mittlerweile kaum noch zu kalkulieren. Was das für den Tierhalter beim Ausbruch einer Herde bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.“ so Müller.
Für Marion Schardt-Sauer besteht daher dringender Handlungsbedarf. „Wir fordern auf allen Ebenen, dass erstens umgehend die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass geschädigte Tierhalter schnell und unkompliziert mit den zuständigen Stellen Kontakt aufnehmen können. Hierfür müssen die entsprechenden Plattformen und Kontaktstellen geschaffen und durchgehend erreichbar sein. Zweitens erwarten wir, dass von den Behörden verbindliche Reaktionszeiten für die Fall-Aufnahme und vor allem auch für die Entnahme der benötigten Proben eingeführt und entsprechende Anordnungen für die Verantwortungsträger erlassen werden. Und drittens werden wir es nicht mehr zulassen, dass das tatsächliche Ausmaß der Problematik verschleiert oder kleingeredet wird. Hierzu muss ein durchgehend funktionsfähiges, transparentes und zielführendes Wolfsmanagement-System aufgebaut werden. Nur so können realistische Zahlen ermittelt und die notwendigen Schlüsse gezogen werden. Gleichzeitig muss der Öffentlichkeit endlich auch mit Blick auf die „Wolfslage“ reiner Wein eingeschenkt werden.“
Für die engagierte Landespolitikerin ist es in diesem Zusammenhang auch ein Ärgernis, dass beispielsweise der Kreistag die Behandlung des Themas „Wolf“ erst kürzlich auf unbestimmte Zeit verschoben hat. „Das ist ein Schlag ins Gesicht von allen Weidetierhaltern und für einen zielgerichteten Umgang mit dem Problem sehr kontraproduktiv. Die Landesregierung muss sich angesichts dieser Lage fragen lassen, wo überhaupt noch Weidetierhaltung in Hessen möglich sein soll, wenn weiter nichts unternommen wird. Seitens der FDP werden wir auf allen Ebenen dranbleiben.“ so Schardt-Sauer. © Marion Schardt-Sauer (MdL)