Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe arbeitet gemeinsam mit der Uniklinik RWTH Aachen am Forschungsprojekt TeleSAN. Das Ziel: Lösungsansätze für eine effektive sanitätsdienstliche Gesundheitsversorgung in Krisenzeiten.
Die aktuellen Herausforderungen im Bereich des Zivilschutzes sowie der zunehmende Mangel an medizinischem Personal erfordern innovative Ansätze, um eine effektive sanitätsdienstliche Gesundheitsversorgung in Krisenzeiten sicherzustellen. Ein wegweisender Lösungsansatz ist die Telemedizin, die den Zugang zu medizinischer Versorgung unabhängig von räumlichen Distanzen ermöglicht.
Vor diesem Hintergrund wurde in dem Forschungsprojekt „TeleSAN“ die Machbarkeit von Telemedizin im Zivilschutzfall für die Sanitätseinheiten des Bundes, die Medizinischen Task Forces (MTF), untersucht. TeleSAN steht kurz für den Titel „Der Tele-Leitende-Notarzt als Zukunftsstrategie in der Katastrophenmedizin – Eine Machbarkeitsstudie zur Telemedizin in Zivilverteidigungslagen“. Mit einer eigens konzipierten TeleSAN-App kann von unterschiedlicher Hardware auf Funktionen der Telemedizin, wie den Teleanruf, aber auch auf Katastrophenmedizin-Leitlinien und eine digitale Dokumentation zugegriffen werden.
Am 19. September hatte das Projektteam zur Präsentation des Systems im Rahmen einer Simulation eines Zivilschutzszenarios eingeladen.
Telemedizin bietet vielfältige Möglichkeiten
Das Projekt stellt somit eine Machbarkeitsstudie zur Telemedizin in Zivilverteidigungslagen dar. Es handelt sich um ein Forschungsvorhaben der Ressortforschung für den Bevölkerungsschutz, das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) gefördert wird.
Die Telemedizin bietet vielfältige Möglichkeiten, um in Notfallsituationen wie Naturkatastrophen, Pandemien oder kriegerischen Auseinandersetzungen eine angemessene medizinische Versorgung sicherzustellen. Dank modernster Technologien kann medizinisches Fachpersonal in Echtzeit mit Patientinnen und Patienten in Kontakt treten, Diagnosen stellen und Behandlungen empfehlen, delegieren oder überwachen und begleiten. Darüber hinaus kann die medizinische Versorgung in schwer zugänglichen sowie möglicherweise kontaminierten Gebieten verbessert werden.
Medizinische Teams und Fachleute aus verschiedenen Regionen oder Ländern können miteinander kommunizieren und ihr Wissen austauschen. All dies trägt dazu bei, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern und lebensrettende Maßnahmen schneller umzusetzen.
Telemedizin im Zivilschutz
Im Projekt TeleSAN wird erstmals der Einsatz von Telemedizin im Zivilschutz untersucht, unter anderem mit dem Fokus, Einsatzkräfte jeglicher medizinischer Ausbildungsstufen in der Behandlung vor Ort anzuleiten. Über die Telemedizin sollen so fehlende Ärztinnen und Ärzte im Einsatzgebiet kompensiert und Einsatzkräfte mit einer niedrigeren Qualifikation als Notfallsanitäterin oder Notfallsanitäter in der medizinischen Behandlung angeleitet werden, ohne einen medizinischen Nachteil für die Patientinnen und Patienten zu erzeugen. Hierzu wurde ein dreigeteiltes System entwickelt, das auf der sogenannten TeleSAN-App basiert.
Diese App kann auf unterschiedlichen technischen Geräten genutzt werden. Möglichst allen Einsatzkräften soll die Telemedizin über das private Smartphone zur Verfügung gestellt werden. In kontaminierten Bereichen kann die Telemedizin mit Datenbrillen verwendet werden, die über Sprachsteuerung eine kontaktlose Nutzung ermöglichen. In Behandlungsstellen, in denen Patientinnen und Patienten die meisten medizinischen Maßnahmen erhalten und auch über einen längeren Zeitraum behandelt, überwacht und betreut werden, bietet TeleSAN eine wichtige Funktion an: Die telemedizinische Anbindung von Vitalparametermessgeräten an die TeleSAN-App. So ist es möglich, neben der eigentlichen Kommunikation mit der Teleärztin oder dem Telearzt in Echtzeit auch Vitalaparameter und Herz-Lungengeräusche zu teilen.
In verschiedenen Studien wurden das dreigeteilte System und die Machbarkeit der Telemedizin im Zivilschutz untersucht – mit einem positiven Ergebnis. Die Forschungsergebnisse hierzu werden in der Schriftenreihe „Forschung im Bevölkerungsschutz“ veröffentlicht.
Zusammenarbeit für einen baldigen Einsatz
Um den Einsatz von Telemedizin im Bevölkerungsschutz weiter voranzutreiben, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Behörden, medizinischen Einrichtungen und Technologieunternehmen erforderlich. Es müssen klare Richtlinien und Standards für die telemedizinische Versorgung in Krisensituationen entwickelt werden, um sicherzustellen, dass Daten von Patientinnen und Patienten geschützt werden und das medizinische Personal über die notwendige Ausrüstung und Ausbildung verfügt, um Telemedizin effektiv einzusetzen.
Giulio Gullotta, Abteilungsleiter der Abteilung III „Wissenschaft und Technik“ im BBK: „Für uns ist es entscheidend, dass wir diese innovative Technologie weiter erforschen, entwickeln und in unsere Konzepte und einsatztaktischen Systeme integrieren, um in Zukunft bestmöglich auf unvorhergesehene Ereignisse vorbereitet zu sein. Insbesondere die Praxistauglichkeit für die Helferinnen und Helfer steht für uns im Vordergrund.“
Andreas Follmann, Stellvertretender Leiter der Sektion Medizintechnik an der RWTH Aachen: „Die Telemedizin ist ein wichtiger Schritt in der Digitalisierung des Bevölkerungsschutzes, der den zukünftigen Mangel an hochqualifiziertem medizinischem Personal, insbesondere an Ärztinnen und Ärzten, an der Einsatzstelle kompensiert und trotzdem die Qualität der medizinischen Behandlung möglichst hochhält.“
Spezialfähigkeiten im Zivilschutz und in der Katastrophenhilfe
Die Medizinische Task Force ist eine bundesweit im Aufbau befindliche arztbesetzte, sanitätsdienstliche, taktische Einsatzabteilung mit Spezialfähigkeiten im Zivilschutz und der bundeslandübergreifenden Katastrophenhilfe des Bundes. Die Konzeptentwicklung und Bereitstellung im Rahmen der ergänzenden zivilschutzbezogenen Ausstattung des Bundes werden durch das BBK geleistet. Dabei werden auch zukunftsträchtige Innovationen, wie etwa Telemedizin oder luftgestützte Transportmöglichkeiten, getestet, bewertet und konzeptionell entsprechend eingearbeitet.
Träger der MTF sind die öffentlichen und privaten Organisationen, die in den jeweiligen Landeskatastrophenschutzeinheiten mitwirken. Dazu gehören unter anderem der Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, das Deutsche Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdienst, die Johanniter-Unfall-Hilfe sowie die Feuerwehren.
Weitere Informationen zur Medizinischen Task Force des Bundes finden Sie unter:
https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Gesundheitlicher-Bevoelkerungsschutz/Sanitaetsdienst/MTF/mtf_node.html © BBK