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„Das Schutzengelhaus“ – das Grauen der NS-Kinder-„Euthanasie“ als Theaterstück

(WEILBURG) Am 7. November und 8. November ist das Theater mini-art auf Einladung des Vereins „Weilburg erinnert“ wieder in der Weilburger Stadthalle zu Gast. Aufgeführt wird das mehrfäch prämierte Theaterstück „Das Schutzengelhaus“ über das Grauen der NS-Kinder-„Euthanasie“. Die öffentliche Abendvorstellung findet am 7. November um 19:30 Uhr statt.
Zwei zeitlose Gestalten betreten die Ruine eines Hauses, in das seit Jahren keine Ruhe einkehren will und aus dem die Schutzengel verschwunden sind. Nach und nach kommen sie den Geheimnissen auf die Spur, die diese Mauern bergen. Das Theaterstück wirft einen Blick auf das Schicksal von Opfern, und auf das Handeln von Tätern und Mitläufern in einer Einrichtung, in der zwischen 1941 und 1943 körperlich und geistig behinderte Kinder als ‘unwertes Leben’ durch das NS-Regime ermordet worden sind.

Regisseur Rinus Knobel nennt „Das Schutzengelhaus“ eine „theatrale Collage“ aus Schauspiel, Filmausschnitten, Bildern, Figurenspiel und auf Wände projizierten Zitaten. Einige belegen, wie sehr sich Hitler auf die Rassenideologie von Scheinwissenschaftlern schon aus dem 19. Jahrhundert berufen konnte. Aus der Perspektive von Kindern, Eltern und Ärzten wird Ungeheuerliches offenbart. In exemplarischen Szenen werden die Ängste von ausgelieferten Kindern deutlich, die Verstörtheit von Müttern nach der Einlieferung. Oder die Empörung eines Vaters über den bei Besuchen erkennbar schlechten Gesundheitszustand seiner abgemagerten Tochter (aus authentischen Briefen von Sjef van der Linden vorgelesen). Sie alle merken zu spät, dass ihr Kind in dieser Klinik nicht gut aufgehoben war. Erschreckend aber auch die Skrupellosigkeit von Eltern, die Gleichgültigkeit von Krankenpflegerinnen, der Zynismus von Ärzten, die mit Überzeugung einer Ideologie folgen und morden oder morden lassen und auch nach dem Krieg noch keinerlei Schuld empfinden. All das wächst beim Zuschauer zu einem bedrückenden Ganzen zusammen, lässt ihn ahnen, wie Menschen zu Opfern oder Tätern werden können, wenn die Menschenrechte außer Kontrolle geraten.

In der Auswahlentscheidung der Jury zur Auszeichnung mit dem WESTWIND Preis heißt es: „Anhand von schwer zugänglichem Quellenmaterial und Originalakten aus der Kinderfachabteilung Waldniel-Horstert haben sie in der klugen Regie von Rinus Knobel mit wenigen Mitteln und einem speziellen Gespür für die Darstellung unterschiedlichster Perspektiven und Figuren, eine erschütternde, entlarvende und niemals moralisierende „theatrale Collage“ entwickelt, die das schwere Thema nicht leichter macht, aber es den Zuschauenden erleichtert, Fragen zu stellen und sich unbequemen Wahrheiten zu stellen. Denn hier geht um nichts weniger als die Notwendigkeit des Hinterfragens: Wie entsteht Haltung? Inwieweit ist man für sein Tun selbst verantwortlich und was bedeutet in diesen Fällen eigentlich Verantwortung? Welche Wertevorstellungen haben wir heutzutage und wie gehen wir um mit denen, die von unserer gesellschaftlichen Norm abweichen?“

Das deutsch-niederländische Theater mini-art wurde 1993 von Crischa Ohler und Sjef van der Linden mit dem Ziel gegründet, Kunst und Kultur für Kinder und Jugendliche zu fördern, und ist seit 1997 mit einer eigenen Spielstätte auf dem Gelände der LVR Klinik Bedburg-Hau beheimatet. mini-art steht modellhaft für grenzüberschreitende Theaterarbeit und für die Vernetzung von Theater und Schule in einer ländlichen Region.
Die Abendvorstellung des Theaterstückes findet am 7. November um 19:30 Uhr in der Stadthalle Weilburg statt. Der Einlass beginnt um 19 Uhr; Tickets sind nur an der Abendkasse zum Preis von 13,- € bzw. ermäßigt 10,- € für Studierende, Rentner und Vereinsmitglieder sowie 5,- € für Schüler erhältlich. Platzreservierungen sind vorab online unter www.weilburg-erinnert.de/anmeldung möglich.
Am darauffolgenden 8. November finden zwei Schulvorstellungen für Schüler aus der Region um 8:45 Uhr und 11:15 Uhr statt.
Gefördert werden die Veranstaltungen durch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung und die Deutsche Postcode Lotterie.

© Weilburg erinnert e. V.