In der Weihnachtszeit kaufen Kundinnen und Kunden häufig unbewusst Produkte
Darmstadt/Frankfurt/Wiesbaden. Das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt kontrolliert in ganz Hessen die Arbeitsbedingungen von Heimarbeiterinnen und Heimarbeitern. Vor allem jetzt in der Weihnachtszeit werden häufig in der Heimarbeit gefertigte Produkte gekauft. Darunter Grußkarten (zum Beispiel Endmontage von sich bewegenden oder aufstellenden Teilen, knicken der Karten, einlegen in die Schutzhülle), Ohrringe, auf die Trägerblättchen gesteckt oder in die kleine Blister eingesetzt sind, auf Trägerblättchen gefädelte Ketten.
Was viele nicht wissen: Die Heimarbeit ist ein vielfältiger, aber besonders schutzbedürftiger Bereich des Arbeitsmarktes, Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben sind keine Ausnahme. Denn Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter arbeiten flexibel – was Ort und Zeit angeht – in ihrer eigenen Wohnung oder einer selbstgewählten Betriebsstätte. Diese Form der Beschäftigung ist durch das Heimarbeitsgesetz (HAG) geschützt. Dennoch zeigt die Kontrolle: Die soziale Isolation und Abhängigkeit vom Auftraggeber birgt erhebliches Missbrauchspotenzial.
Um das zu verhindern, sind Unternehmen verpflichtet, dem RP Darmstadt halbjährlich zu melden, wen sie mit welchen Tätigkeiten in Heimarbeit beschäftigen. Diese Meldepflicht wird jedoch regelmäßig verletzt, wodurch der staatliche Arbeitsschutz behindert wird. Deshalb überwacht das Entgeltprüfer-Team des RP hessenweit die Einhaltung der Heimarbeitsvorschriften. Dazu gehören Kontrollen bei Auftraggebern und am tatsächlichen Heimarbeitsplatz, das Prüfen von Entgeltabrechnungen und Dokumentationen, Zeitaufnahmen, wenn Tätigkeiten am heimischen Arbeitsplatz erheblich vom betrieblichen Arbeitsplatz abweichen. Die Folge sind Ordnungswidrigkeitenverfahren sowie Nachzahlungsansprüche in der Ursprungsform und Klageverfahren. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben müssen alle Auftraggeber und alle Heimarbeiter mindestens alle drei Jahre kontrolliert werden.
„Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter leisten wertvolle Arbeit. Und das oft im Verborgenen und ohne direkte Unterstützung eines Betriebs“, sagt Regierungspräsident Prof. Dr. Jan Hilligardt und hebt die Bedeutung der Arbeit des RP hervor: „Unser Ziel ist es, sie vor Ausbeutung zu schützen und sicherzustellen, dass sie die Entgelte erhalten, die ihnen gesetzlich zustehen.“
Aktuelle Daten für Hessen:
- 71 Auftraggeber mit rund 720 Heimarbeiterinnen und Heimarbeitern (ca. zwei Drittel Frauen)
- Auftraggeber (ATG), die bisher nicht der Meldepflicht nachkamen, aber vom RP entdeckt wurden: in 2024 zwei ATG und in 2025 bisher sechs ATG entdeckt.
- Im Jahr 2024 hat das RP eine Nachzahlungssumme in Höhe von rund 114.000 Euro für die Heimarbeitenden erwirkt, 2025 waren es bisher etwa 26.000 Euro.
- Schwerpunkt in den Wirtschaftsklassen Gummi-Kunststoff, Eisen-Metall-Elektro, Wäsche, Papier, Musikinstrumente sowie Tätigkeiten in der Schmuckindustrie und Schreibarbeiten in diversen Wirtschaftsklassen.
Ein aktueller Fall unterstreicht, wie wichtig behördliche Kontrolle ist: Ein hessischer Heimarbeiter stellt monatlich Fagotte für ein sächsisches Unternehmen her. Nach Beschwerden über fehlende Teile und ausstehende Zuschläge, entwickelte sich ein mehrjähriges Prüf- und Klageverfahren über mehrere Bundesländer hinweg. Hessen gewann sowohl vor dem Arbeitsgericht Darmstadt als auch vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt. Da der Auftraggeber weiterhin nicht zahlt, befindet sich der Fall nun vor dem Bundesarbeitsgericht. Mit einer Entscheidung ist frühestens nach April 2026 zu rechnen.
Die häufigsten Verstöße in Verbindung zur Heimarbeit sind:
- fehlende Meldungen der Auftraggeber,
- zu geringe Entgelte,
- falsch berechnete oder nicht gezahlte Zuschläge,
- Nutzung falscher bindender Festsetzungen oder Bezahlung nach Mindestlohn (nicht zulässig für Heimarbeit),
- unvollständige Dokumentationen,
- starke Mengenschwankungen, die zu unregelmäßigen Einkommen führen.
Hintergrund: Hintergrund: Heimarbeit vs. Home Office
Heimarbeit hat nichts mit dem heute weit verbreiteten Arbeiten im Home Office zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um Tätigkeiten nach dem Heimarbeitsgesetz, die Personen in der eigenen Wohnung oder in einer selbstgewählten Betriebsstätte im Auftrag von Firmen oder Dritten als arbeitnehmerähnliche Personen verrichten.
Insbesondere in strukturschwachen Regionen wird die Heimarbeit noch genutzt, vor allem für das Konfektionieren von Schmuck, das Abfüllen und Sortieren von Teilen, aber auch Schreibarbeiten, Sichtkontrollen, Lötarbeiten, Klebe- und Näharbeiten sowie Montage-Tätigkeiten.
Das RP Darmstadt hält auf seiner Website weitere Informationen und auch einen Vordruck für eine Heimarbeitsliste bereit. Bei Fragen können sich Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter an die Arbeitsschutz-Abteilung des RP Darmstadt wenden (arbeitsschutz@rpda.hessen.de) oder Telefon (069) 27145941.
Link: https://rp-darmstadt.hessen.de/gesundheit-und-soziales/arbeitsschutz/heimarbeit © RP-Gießen