Elenora und Sophia haben an diesem Tag den am besten bezahlten Job im ganzen Haus. Sie sind Hausmeister. Das bringt acht Lahntaler pro Stunde. Deutlich mehr als alle anderen Jobs in der Bäckerei, im Kunstatelier, in dem Tanzstudio und es ist auch mehr, als der Bürgermeister und der Erste Stadtrat verdienen. Für sie gibt es den Einheitslohn von fünf Lahntalern. Warum das so ist? Weil die Hausmeister am meisten arbeiten.
Verkehrte Welt? Nein, es ist die Welt in der Kinderspielstadt. Die hatte sich für zwei Wochen, 14. bis 25. August, im Nachbarschaftszentrum Nord einquartiert. „Besen und Schaufel sind das Arbeitsgerät“, erklärt Sophia. Damit wird sauber gemacht. Es gibt auch kleine Reparaturen zu erledigen. „Wir gehen von Tür und Tür, hinter denen die einzelnen Betriebe sind, und fragen, ob wir sauber machen sollen oder ob wir spülen können“, verrät Eleonora. Einen kleinen Betriebsunfall hat sie auch schon hinter sich. Beim Stapeln der Töpfe hat sie sich die Finger eingeklemmt. Gut, dass die Verletzung schnell an der Erste Hilfe Station versorgt wurde, so durfte sie weiter im Betrieb arbeiten.
Es ist zum zweiten Mal, dass das Team vom Amt für Familie, Soziales und Integration zu einer Kinderspielstadt eingeladen hatte. Zwei Wochen lang gab es für acht bis 13-Jährige die Möglichkeit, spielerisch die Abläufe und Dynamiken des städtischen Lebens der Erwachsenen zu erkunden. Dabei, so Vanessa Kantelberg von der Stadt Limburg und Gunther Weber von der begleitenden Agentur „kopf & herz“, erproben die Kinder nicht nur die Berufe von Bankkaufleuten, Reisebürokaufleuten, Ladenbesitzerinnen und -besitzern, Bäckerinnen und Bäckern und vielen mehr, sondern lernen ganz spielerisch wesentliche Lebenskompetenzen wie Teamarbeit, Kommunikation und Entscheidungsfindung.
Die Welt in der Kinderspielstadt ist vielfältig. Künstler arbeiten in ihren Ateliers, Journalisten erstellen kleine Videos zum Leben in der Kinderspielstadt und verbreiten Nachrichten, das Team für Verschönerung und Dekoration hat eine komplett ausgestattete Werkstatt, um die vielen Wünsche zu erfüllen, der Freizeitpark muss betreut werden und Bürgermeister und 1. Stadtrat sind gefordert, um die tägliche Bürgerversammlung zu organisieren.
30 Minuten stehen dann zur Verfügung, um all das anzusprechen, was geändert werden soll oder was für Missstimmung sorgt. Zum Beispiel, dass die Bank plötzlich Kontoführungsgebühren erhebt. Auch die Abgabe der einzelnen Betriebe ist Thema in der Bürgerversammlung gewesen, schließlich wurde festgestellt, dass die Verwaltung selbst auch Geld benötigt, um wichtige Anschaffungen umsetzen zu können oder auch Löhne und Gehälter zahlen muss. Deshalb muss jeder Betrieb pro Tag einen Lahntaler abführen.
Die einzelnen Jobs werden den gesamten Tag über von der Agentur für Arbeit vergeben. Wer in der Schlange vorne steht, hat die größte Auswahl. Die letzten hingegen müssen das nehmen, was übrigbleibt. Laurin hat sich für den Beruf des Künstlers entschieden. Allein sitzt er an seinem Tisch und mischt die Farben, um seine von ihm gebastelten Tonfiguren anzumalen. Vor der Bäckerei von Finn und Dylan sieht es ganz anders aus, da hat sich eine lange Schlange gebildet. Der Duft der frisch gebackenen Waffeln zieht durch das ganze Haus und lockt an.
Jasper und Fenja hingegen haben es in ihrer Werkstatt recht ruhig. Sie widmen sich der Verschönerung der Stadt. Blumen werden in Vasen gesteckt, Holzunterlagen gefertigt und was sonst noch so ansteht, um es eben schöner zu machen. Natürlich müssen die gefertigten Gegenstände auch an Mädchen und Junge gebracht werden. Marvin übernimmt diese Aufgabe als Außendienstler und hat sich deshalb auch einen Bauchladen gebastelt, um die Angebote aus der Werkstatt präsentieren zu können.
Volle Hütte ist immer dort, wo die stampfenden Beats ertönen. Das schalt schon mal durchs Haus, wenn die Ausbildung zum Dance- and Fitness-Instructor läuft und sich viele Kinder im Rhythmus bewegen. Natürlich gibt es zum Abschluss der Ausbildung auch ein Zertifikat und damit eine Bestätigung, um dann als Instruktor arbeiten zu können.
Im Reisebüro geht dann die Welt der Kinderspielstadt in die reale Welt der Erwachsenen über. Als Reiseverkehrskauffrau aus dem richtigen Leben steht dabei Brigitte Erdmann als Fachfrau zur Verfügung. Und als sie zusammen mit ihren Mitarbeitenden Reisen nach Afrika anbietet, kommt auch die Situation der Wildtiere dort zur Sprache. „Nur wegen ihres Elfenbeins werden Elefanten getötet und die Nashörner wegen ihres Horns“, macht Gabriel deutlich. Emilia und Leila sind dann mit dabei, eine Spendenaktion gegen die Wilderei und zum Schutz der Elefanten und Nashörner ins Leben zu rufen. Gespendet wird in der Währung der Kinderspielstadt, also in Lahntalern. Doch Brigitte Erdmann hat versprochen, es umzutauschen. Bis zu 500 Lahntaler wird sie in Euros wechseln.
„Die Kinderspielstadt ist nicht nur ein Ort des Spaßes und der Abenteuer, sondern auch eine wertvolle Bildungserfahrung, die ganz allein auf Freiwilligkeit beruht“, macht Anke Stöver aus dem Betreuerteam kurz vor der gemeinsamen Mittagspause deutlich. Im größten Raum des Hauses wird gegessen. Und was Dirk kocht, das schmeckt allen, egal ob Pizza oder Gemüse. „Alle Kinder gehen respektvoll miteinander um, weshalb es keine großen Streitigkeiten gibt. Auch Smartphones spielen in der Kinderspielstadt keine Rolle. Es ist eine sehr harmonische Ferienbetreuung“, so beschreibt Vanessa Kantelberg das Leben in der Kinderspielstadt.
60 Kinder sind dort für zwei Wochen in das Leben der Erwachsenen eingetaucht. Die Betreuung erfordert reichlich Personal, das Team aus dem Amt ist mit fünf Kräften vertreten, hinzu kommen ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer, auch richtige Auszubildende der Volksbank und Kreissparkasse, damit das mit der Bank funktioniert, Annette Kretschmar vom Kulturzentrum der Lebenshilfe sowie Honorarkräfte. „Der Aufwand lohnt sich“, ist Vanessa Kantelberg überzeugt. Und vielleicht wird es die Kinderspielstadt auch im kommenden Jahr wieder geben. © Stadt Limburg