Springe zum Inhalt

Tipps für Vereine und Verbände/“Fit fürs Ehrenamt“-Dozent Florian Brechtel weiß, wie man Aktive und Sponsoren gewinnt

Limburg-Weilburg. Florian Brechtel ist einer der Dozenten, der in der für Ehrenamtler aus der Region kostenfreien Seminar-Reihe „Fit Fürs Ehrenamt“ der Kreisvolkshochschule (vhs) und des Landkreises Limburg-Weilburg interessierten Vereins- und Verbandsvertretern Tipps gibt. Der 47-jährige Mitgründer des HELFERRATs, einem Beraternetzwerk für gemeinnützige Organisationen, ist selbst engagiert, beispielsweise als zweifacher Vater seit acht Jahren als Vorsitzender des Fördervereins der Offheimer Grundschule. Der Wahl-Offheimer hat sich mit dem Landkreis darüber unterhalten, wie Ehrenamtler und Aktive gewonnen sowie Sponsoren gefunden werden können.

Laut Brechtel ist es in der heutigen Zeit schwerer als früher, Mitglieder langfristig an einen Verein zu binden. „Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass Kinder für einen Verein angemeldet werden und dann ihr ganzes Leben lang dabei bleiben“, weiß der Fachmann. Viele würden Vereinsmitgliedschaften nur noch wie Dienstleistungen nutzen. Das heißt, wenn ein Kind turnen wolle, werde es angemeldet – und wenn es nach zwei Jahren nicht mehr wolle, werde es wieder abgemeldet. Vereinsvertreter sollten aber den Betroffenen keine Vorwürfe machen, sondern mit der neuen Situation umzugehen lernen.

Es sei einfach so, dass viele aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung kaum noch Zeit für Vereinsaktivitäten hätten. Viele müssten zur Arbeit pendeln und hätten noch Familien, so dass sie dann nicht mitten in der Woche abends noch Stunden für einen Verein tätig sein wollten. Junge Leute würden nach der Schule mal ein Jahr ins Ausland gehen und dann in einer anderen Stadt arbeiten oder studieren. Florian Brechtel rät Vereinsvertretern, den Kontakt zu abwandernden Mitgliedern zu halten. Denn oft würden Menschen später in ihre Heimat zurückkehren - und dann könnten sie für den Verein zurückgewonnen werden. Studien wie der Freiwilligensurvey aus dem Jahr 2019 zeigen, dass viele Menschen pro Woche nicht mehr als zwei Stunden bereit seien, ehrenamtliches Engagement zu leisten. Von daher sei es bei der Vereins- und Verbandsarbeit wichtig, die Aufgaben auf möglichst viele Schultern zu verteilen.

Der Trend gehe weg von einem für alles verantwortlichen 1. Vorsitzenden zu Vorstandsteams, die gleichberechtigt seien und sich die Vereinsarbeit mit unterschiedlichen Ressorts aufteilten.Wenn in einem Verein hingegen nur wenige engagiert seien, bestehe die große Gefahr, dass der Einzelne sich irgendwann überlastet fühle und ganz aufhöre. Wichtig sei von Vorstandsseite, Ehrenamtler immer würdig zu verabschieden. Vielleicht brauche ja jemand einfach nur mal zwei Jahre Pause und übernehme dann wieder eine Aufgabe. Wenn ein guter Schatzmeister aufhöre und niemand bereit sei, alleine dessen Arbeit zu übernehmen, könnten sich auch zwei Personen seine Aufgaben teilen.

Florian Brechtel rät den Vereinen, niederschwellige Angebote der Mitwirkung zu machen. Wenn jemand nicht eine Verpflichtung auf Dauer übernehmen wolle, könne das Mitglied gefragt werden, ob es nicht Lust habe, für ein Projekt oder eine Veranstaltung eine gewisse Aufgabe zu übernehmen. Der Berater findet auch, dass mit den Betroffenen offen und ehrlich umgegangen werden müsse, welcher Arbeits- und Zeitaufwand mit der Übernahme einer Tätigkeit verbunden sei.

Florian Brechtel sagt, dass bei der Festlegung von Sitzungsterminen die Lebenswirklichkeit der Betroffenen berücksichtigt werden müsse. Für einen jungen Menschen sei es wenig attraktiv, wenn er an einem Freitagabend nach einer langen Arbeitswoche noch zu einer mehrstündigen Sitzung kommen solle. Ein Vorstand sollte Brechtels Auffassung nach immer überlegen, wie viel Sitzungen und wie viel Zeitaufwand wirklich notwendig seien und ob es nicht reiche, sich im Rahmen einer Online-Schalte untereinander abzusprechen. Vorstände müssten sich auch Gedanken machen, warum Menschen in Vereine gingen.

Der Hauptgrund sei für viele, Spaß zu haben. Deshalb sollte eine Tätigkeit auch Spaß machen. Wichtig neben einer fairen Verteilung von Arbeit in einem Vereinsteam sei ebenso, regelmäßig zu überprüfen, ob die festgelegte Arbeitsverteilung weiterhin funktioniere. Möglicherweise habe sich die berufliche oder private Situation eines Vorstandsmitglieds verändert. Und in einem solchen Fall müsse aufgepasst werden, jemanden nicht unbewusst zu überfordern.

Um neue Aktive zu finden sollten Vereine Brechtels Auffassung nach mehr mit Kindertagesstätten und Grundschulen kooperieren. Oft gebe es da Budgets, um Übungsleiter auch dafür bezahlen zu können. Über diesen Weg könnten Vereine neue Kinder für sich werben. Und wer die Kinder habe, habe in der Regel auch die Eltern. Um an Spenden, Sponsoren und öffentliche Fördermittel zu kommen, sei es notwendig, seinen Verein oder sein Projekt so gut wie möglich zu präsentieren. Wichtig sei, Kompetenz und Seriosität auszustrahlen. Und Vereinsvertreter sollten bei der Mittelbeschaffung auch kreativ sein, nicht nur wenige große Firmen ansprechen, sondern auch viele kleinere.

Notwendig sei oft, nach einer Anfrage nochmal nachzufragen und das persönliche Gespräch zu suchen. Ein Unternehmen könne ein Projekt auch durch Material und Arbeitskraft unterstützen. Es mache zudem Sinn, mal den örtlichen Bäcker oder Metzger anzusprechen, ob er bereit sei, für eine Veranstaltung Brötchen bzw. die Wurst zu spendieren und dafür anstatt einer Bezahlung als Sponsor genannt zu werden.

Florian Brechtels Erfahrung nach sind die „Fit fürs Ehrenamt“-Kurse für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine echte Bereicherung. Die Angemeldeten kämen aus völlig unterschiedlichen Bereichen, könnten sich hier austauschen und viel für ihre weitere Arbeit mitnehmen. © Landkreis Limburg-Weilburg