Gefahren für Gesundheit und Eigentum
Regierungspräsidium Gießen warnt vor unsachgemäßen Asbestarbeiten – Arbeitsschutzexperte gibt wichtige Hinweise, worauf Unternehmen und Privatpersonen achten müssen
Gießen. Wer ein asbesthaltiges Dach entfernen möchte, beauftragt meist ein Unternehmen. Aber nicht jedes Unternehmen führt die Arbeiten auch vorschriftsmäßig aus. „In letzter Zeit häufen sich in allen Landkreisen unseres Regierungsbezirks die Fälle, in denen gutgläubige Immobilienbesitzer ein böses Erwachen erlebten“, berichtet Jörg Heller, Baukontrolleur bei den Arbeitsschutzdezernaten des Regierungspräsidiums Gießen. Dabei währte die Freude über die ungewöhnlich günstigen Angebote für die Bedachungsarbeiten nur kurz, denn: „Die Hausbesitzer mussten erleben, wie diverse Behörden auf ihrem Grundstück mit Ermittlungen begannen, die Arbeiten einstellten und die Vorfreude auf ein neues Dach der Befürchtung wich, ob vor dem nächsten Regen das Dach zumindest provisorisch geschlossen ist.“
Ein solcher Fall hat sich kürzlich im Vogelsbergkreis ereignet. Ein Anrufer meldete der Behörde, dass auf einem landwirtschaftlichen Anwesen unsachgemäße Asbestarbeiten stattfinden würden. Vor Ort angekommen, zeigte sich dem Bauingenieur folgendes Bild: Ein in Osthessen ansässiges Spenglerunternehmen hatte bereits ganze Arbeit geleistet und circa 500 Quadratmeter asbesthaltige Wellplatten von einem landwirtschaftlichen Nutzgebäude heruntergeholt. „Dabei war allerdings auf alle notwendigen Arbeitsschutzmaßnahmen, die beim Umgang mit Asbest erforderlich sind, verzichtet worden. Angefangen beim fehlenden Nässen der Platten vor dem Ausbau über die Verwendung von ungeeigneten Masken und Schutzanzügen, die den Arbeitern keinerlei Schutz vor den krebserzeugenden Fasern bieten konnten, bis hin zum unsachgemäßen Lagern der ausgebauten Wellplatten auf dem Grundstück reichte die Palette der Arbeitsschutzverstöße“, berichtet Jörg Heller. Zudem wurde bei Absturzhöhen von bis zu viereinhalb Metern auf jegliche Absturzsicherung verzichtet. Noch dazu war kein für Asbeststäube zugelassener Staubsauger auf der Baustelle vorhanden und um das Gebäude herum lagen überall Bruchstücke der ausgebauten Wellplatten.
„Bei der fehlenden Qualifikation des Unternehmens sind die vorgefundenen Mängel kein Wunder“, so Hellers Beurteilung des Falles. „Der Ausbau von asbesthaltigen Baustoffen darf nur durch Fachfirmen erfolgen, die Personal mit einer Ausbildung nach der Technischen Regel für den Umgang mit Asbest, der TRGS 519, bereithalten. In dieser Technischen Regel für Gefahrstoffe wird beschrieben, wie die Arbeiten auszuführen sind.“ An dieser Stelle hat Heller einen noch wichtigen Hinweis für Eigentümer: Wer selbst anpacken und ein asbesthaltiges Dach entfernen möchte, muss das genauso machen wie ein gewerbliches Unternehmen, das eine entsprechende Sachkunde hat. Dazu gehört auch die Anmietung beziehungsweise der Kauf der notwendigen Ausrüstung. „Im gewerblichen Bereich kommt hinzu, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer zur regelmäßigen ärztlichen Vorsorge schicken muss“, ergänzt der Bauingenieur.
„Auch fast 30 Jahre nach dem Verbot von Asbest sind in Deutschland noch immer unzählige Dächer mit asbesthaltigen Materialien gedeckt. Solange diese Wellplatten oder Schindeln eingebaut bleiben, besteht in der Regel keine Gefahr“, führt der Gießener Arbeitsschutzfachmann weiter aus. Erst beim Rückbau des Daches können die schädlichen Fasern in größerem Umfang frei werden.
„Durch die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften wird ein bestmöglicher Schutz von Mensch und Umwelt überhaupt erst möglich, denn auch heute stirbt in Deutschland alle sechs Stunden ein Mensch an den Folgen einer vor Jahrzehnten ausgeübten beruflichen Tätigkeit mit asbesthaltigen Fasern“, weiß der Experte. „Die Dunkelziffer dürfte noch um einiges höher liegen, da derzeit nur die Fälle statistisch erfasst werden, in denen eine diesbezügliche Berufskrankheit zuvor anerkannt wurde.“
Der Bauherr hat nach der Gefahrstoffverordnung die Verpflichtung, für Arbeiten an asbesthaltigen Gegenständen nur geeignete Firmen auszuwählen. Bußgelder und Geldstrafen treffen zwar in der Regel die ausführende Firma, jedoch bleibt auch der Bauherr meist nicht ohne Schaden. Häufig kommen Kosten durch Folgeschäden am Eigentum auf ihn zu. Denn je nachdem, wie stark die Kontamination von Gegenständen und Pflanzen ist, bleibt nur deren aufwändige Dekontamination oder Entsorgung als asbesthaltiger Sondermüll übrig.“
Doch wie lässt sich so etwas von vornherein vermeiden? Hier hat Heller wichtige Hinweise: „Eine geeignete Firma für Arbeiten an Asbestdächern erkennen Bauherren daran, dass diese über eigenes sachkundiges Personal verfügt, das die Sachkundeprüfung nach TRGS 519 bestanden hat, oder alternativ für den Abbruch des Asbestdaches auf einen Subunternehmer zurückgreift, der solches Personal und die entsprechende Ausrüstung vorhält. Seriöse Firmen werden immer ein schriftliches Angebot unterbreiten, in dem diese Sachverhalte klar geregelt sind. Lässt der Bauherr sich die entsprechenden Sachkundenachweise vor Beginn der Arbeiten vorlegen, ist er auf der sicheren Seite. Dann haben schwarze Schafe, die solche Arbeiten ohne die erforderliche Sachkunde anbieten, keine Chance.“
Für die Baustelle im Vogelsbergkreis wurde übrigens Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet, da bereits der gewerbliche Umgang mit asbesthaltigen Baustoffen ohne die erforderliche Sachkunde einen Straftatbestand darstellt.
Weitere Informationen über den Umgang mit Asbest erhalten Interessierte unter https://rp-giessen.hessen.de/arbeits-und-verbraucherschutz/arbeitsschutz-auf-baustellen/asbestsanierung. © RP-Gießen