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Familienidylle mit Rissen – Literatur im Gespräch

Der Literaturgesprächskreis trifft sich am Donnerstag, den 16. Februar 2023 ab 20.00 Uhr in den Räumen der Bücherei Niederbrechen zum Austausch über Alex Schulmanns Debut: „Die Überlebenden“, dem Portrait einer durchschnittlichen Familie.

Die Silberbirken, deren Blätter im Vollmond leuchten, - das Landhaus mit dem sonnengebleichten roten Holz und den weißen Giebeln. Der See, blank und still, in dem sich der Vater mit den schwitzenden Jungen nach dem Saunabesuch abkühlt. Das perfekte schwedische Idyll, sinnlich und farbenfroh.
Doch wärmend, wohltuend oder gar unbeschwert ist wenig in Alex Schulmanns Erstling "Die Überlebenden". Da sind die Brüder Pierre, Benjamin und Nils, zu Beginn sieben, neun und 13 Jahre alt, die in einem zweiten Handlungsstrang viele Jahre später als Erwachsene gezeigt werden. Zu dieser Zeit ist der Vater schon seit ein paar Jahren tot, jetzt sind die Brüder zusammengekommen, um die Asche der Mutter im See zu verstreuen. In Rückblenden scheint das auf, was gemeinhin als Kindheit verklärt wird; im Wechsel dazu läuft rückläufig der Tag der Bestattung ab, inklusive der Ungeheuerlichkeit, dass die Mutter nicht neben dem Vater begraben sein will.
Die Brüder sind sich in ihrer Kindheit nah und vertraut, können einander aber nicht trauen. Plötzlich bricht Pierres Jähzorn aus und er prügelt in blinder Wut um sich. Benjamin fühlt sich in höchster Not im Stich gelassen, und Nils wartet nur darauf, dass er ein weiteres Mal von den anderen bloßgestellt wird. Sie mögen einander, doch sie beargwöhnen einander, denn wirklich verlassen können sie sich aufeinander nicht. Nur manchmal gibt es eine Verbrüderung, aber dafür ist die Enttäuschung beim nächsten Mal umso größer. Kleiner Verrat und großer Hohn lauern überall.
Die Eltern machen es leider nicht besser. Die Kinder sind sich ihrer selbst nicht sicher und suchen Halt, den sie aber weder bei Vater noch Mutter finden. Die Eltern sind nicht wirklich böse, sie wirken unzulänglich, überfordert in Alltagsdingen. Verwahrlosung im Sozialstaat hat viele Seiten. Nicht nur das Haus, auch die Menschen darin sind schmutzig, stellen die Brüder irgendwann erschrocken fest.
Die Teilnehmer des Literaturgesprächskreises treffen sich ca. alle sechs bis sieben Wochen, um sich über das gelesene Werk auszutauschen, die Vorschläge stammen aus dem Kreis der Teilnehmer. Jeder, der für Literatur aufgeschlossen ist, ist als Bereicherung stets willkommen. Allen Interessierten steht die Bücherei Niederbrechen am Sonntag von 9.30 bis 12.00 Uhr, am Mittwoch von 18.30 bis 21.00 Uhr und am Donnerstag von 15.30 bis 16.30 Uhr offen.

Von Jürgen Schühler