Kleine Maßnahmen können bedeutende Auswirkungen auf Bruterfolg haben – RP Gießen setzt sich für Schutz von Wiesenvögeln ein
Gießen. Die Vogelwelt erwacht wieder zum Leben. Mit der Rückkehr der Wiesenvögel aus den Winterquartieren beginnt die Balz- und Nestbauzeit. Dabei gehen die Bestandszahlen der heimischen Vögel zurück. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Deswegen sind die Tiere auf unser aller Rücksicht angewiesen, um den Erhalt zu sichern. Schon kleine Maßnahmen in der Bewirtschaftung der Wiesen können bedeutende Auswirkungen haben“, sagt Regierungsvizepräsident Martin Rößler.
Feldlerche oder das Rebhuhn werden seltener. Besonders geschützte Arten wie das Braunkehlchen, der Kiebitz oder Wachtelkönig sind in Mittelhessen nur noch sehr seltene Brutvögel, berichtet Kerstin Roth. Sie arbeitet beim Regierungspräsidium (RP) Gießen im Dezernat für Naturschutz, Schutzgebiete, Landschaftspflege und -entwicklung. Neben Verlusten durch Nesträuber wie Waschbär, Fuchs oder Elster, ist es das Freizeitverhalten der Menschen sowie freilaufende Hunde, die den Vögeln zusetzen. Verstärkt wird das Ganze durch den Rückgang der Insekten als Nahrungsgrundlage. Hinzu kommt eine zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft.
Wiesenvögel bauen ihre gut getarnten Gelege auf dem Boden der noch schütteren Wiesen oder Äcker. Besonders die weitläufigen, baumfreien Auen von Lahn, Wieseck, Ohm, Wetter oder Horloff sind geeignete Brutreviere für die gefährdeten Bodenbrüter.
Während der Brut sind die Vögel sehr störempfindlich. Werden sie durch Menschen oder freilaufende Hunde aufgeschreckt, so verlassen sie die Brutplätze. Die Eier können auskühlen. Die Brut ist dann verloren. Daher ist es besonders wichtig, in der jetzt beginnenden Brut- und Setzzeit auf den Wegen zu bleiben und Hunde anzuleinen. Wiesen dürfen nicht betreten werden, auch nicht für ein Picknick. Das gleiche gilt für Fahrradfahrer oder Jogger, betont RP-Mitarbeiterin Roth.
Gleichzeitig zum Brutbeginn finden die üblichen Grünlandpflegemaßnahmen in der Landwirtschaft statt. Sobald die Wiesen ausreichend abgetrocknet sind, werden diese oft gewalzt, gestriegelt oder abgeschleppt. Mit diesen Techniken werden Unebenheiten von Maulwürfen oder Mäusen beseitigt und die Grasnarbe durchlüftet. Der Zeitpunkt für diese Arbeiten spielt einen entscheidenden Faktor für den Bruterfolg der Wiesenvögel. Erfolgt diese Bodenbearbeitung erst spät, also Anfang/Mitte April, so kann es zu hohen Verlusten bei Boden-Gelegen oder den noch nicht flugfähigen Jungvögeln kommen. Beispielsweise dauert beim Kiebitz die Brut etwa 26 bis 29 Tage. Die Jungen benötigen nach dem Schlupf als Nestflüchter rund 35 bis 40 Tage noch den Schutz von Deckung und ausreichend Insektennahrung, bevor sie flügge werden.
Daher können insbesondere Landwirtinnen und Landwirte zum Schutz der Biodiversität beitragen. Etwa, indem sie die Grünlandpflege bis Ende März abgeschlossen haben, anschließend eine Boden-Bearbeitungspause von mindestens acht Wochen einhalten.
Hilfreich ist in Bereichen mit Wiesenbrütern den ersten Schnitt so spät wie möglich vorzunehmen. Zum Schutz der Wildtiere und Vögel die Wiesen vor der Mahd absuchen. Positiv ist der Einsatz von Drohnen zur Kitzrettung. Vereinzelt können hochauflösende Wärmebildkameras sogar Bodengelege entdecken. Die können dann von einer Mahd ausreichend ausgespart werden. Um Insekten zu schützen, sollte möglichst in den frühen Morgen- oder den späten Abendstunden gemäht werden. Auch an kühleren, windigeren Tagen oder bei bedecktem Himmel sind die Insekten weniger aktiv, die Verluste durch die Mähgeräte folglich geringer.
Ungemähte Areale oder Inseln erhalten eine Nahrungsgrundlage und können im Herbst oder nächsten Jahr geschnitten werden. Rücksicht ist auch bei blütenreichen Flächen geboten. Wenn der Großteil der Pflanzen verblüht ist und ausgesamt hat, kann gemäht werden. Werden Wiesenwege oder Wegebanketten zwischen März und Juli nicht gemäht oder gemulcht, hilft dies ebenfalls den Bodenbrüter bei einer erfolgreichen Aufzucht sowie den Insekten und dem Niederwild. © RP-Gießen