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Asperger-Autisten sind normal intelligent/ Leiterin der Selbsthilfegruppe rät zu offenem Umgang mit Entwicklungsstörung

Limburg/Diez. Freia Tiederle-Klann aus Diez ist Leiterin der regionalen Asperger-Selbsthilfegruppe Limburg-Diez. Die 58-jährige Lehrerin hat diese 2019 zusammen mit ihrer erwachsenen Tochter gegründet. Ihre Tochter, die selbst vom Asperger-Autismus betroffen ist, wollte über die Gruppe neue Freunde finden, die ähnlich ticken wie sie sie. Denn Menschen, die vom Asperger-Autismus betroffen sind, haben laut Freia Tiederle-Klann im realen Leben oftmals Probleme, mit anderen zu kommunizieren. Nicht, weil es ihnen, wie die Leiterin der Selbsthilfegruppe sagt, an Intelligenz mangelt, sondern weil sie, zumindest in Teilen, eine andere Wahrnehmung haben als neurotypische Menschen.
„Viele Asperger-Autisten können dazu neigen, Dinge bis zum letzten Detail auszudiskutieren, was für neurotypische Menschen nervig sein kann. Viele Asperger-Betroffene können zudem die Zwischentöne in einer Diskussion nicht erkennen“, erklärt die Leiterin der Selbsthilfegruppe. Dass ihre jüngere Tochter anders tickt als die ältere, hat Freia Tiederle-Klann früh gemerkt. So hat ihr erstgeborenes Kind gerne viele Freunde mit nach Hause gebracht, während für ihre jüngere, vom Asperger-Autismus betroffene Tochter, schon ein Kindergeburtstag zu einer anstrengenden Pflichtveranstaltung werden konnte. „Bei Feiern mit anderen Kindern brauchte meine Tochter immer eine Rückzugsmöglichkeit. Dann ging es ihr gut; ansonsten fühlte sie sich nach einiger Zeit oftmals überfordert“, so die Leiterin der Selbsthilfegruppe.
Wie viele Eltern hat auch Freia Tiederle-Klann erst spät erkannt, dass ihre Tochter vom Asperger-Syndrom betroffen ist. „Meine Tochter war schon 16 Jahre alt, als ich realisierte, was los ist“, erzählt Freia Tiederle-Klann. Eine medizinische Untersuchung bestätigte die Vermutung. „Eine Therapiemöglichkeit zur Heilung des Asperger-Autismus gibt es aber nicht“, sagt Freia Tiederle-Klann. Gut sei es jedoch, dass bei betroffenen Kindern heute oftmals deutlich schneller als in früheren Zeiten das Asperger-Syndrom diagnostiziert werde. Inwieweit das Asperger-Syndrom vererbt werden könne, sei umstritten; so gebe es keinen Hinweis auf ein „Asperger-Gen“, jedoch trete der Asperger-Autismus in einigen Familien gehäuft auf. Die Gruppen-Leiterin rät Betroffenen, ihre Asperger-Veranlagung selbst anzunehmen und den Menschen in ihrer Umgebung offen zu kommunizieren.„Sonst kann es in Schule und im Beruf schnell zu extremen Konfliktsituationen kommen“, weiß Freia Tiederle-Klann. So könnten Asperger-Menschen im Umgang sehr direkt sein, weswegen sie oftmals als unhöflich gelten. Auch, dass Asperger-Menschen oft auf einer rein sachlichen Diskussion beharrten und diese bis ins letzte Detail führen wollten, könne auf andere extrem anstrengend wirken. „Das kann ihnen Widerstände und Gegner einbringen; deshalb können Asperger-Betroffene oftmals zu Mobbing-Opfern werden“, berichtet Freia Tiederle-Klann.
Sie erzählt, dass Asperger-Betroffene oft schlechte Erfahrungen in der Kommunikation mit den Menschen in Ihrer Umgebung gemacht hätten. Das könne dazu führen, dass sich viele Asperger-Betroffene aus dem sozialen Leben zurückzögen, in Internetwelten flüchteten und sogar unter Depressionen und psychosomatischen Störungen litten. Freia Tiederle-Klann bedauert, dass Asperger-Menschen, wie beispielsweise die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, im Netz in ihrer Meinung als nicht ernst zu nehmend verspottet würden. „Sie sind genauso intelligent wie andere, viele sind sogar in einzelnen Bereichen besonders begabt“, berichtet die Leiterin der Selbsthilfegruppe.
So gebe es Hochbegabungen bei Asperger-Betroffene beispielsweise in der Mathematik und in der Informatik, aber auch in anderen Bereichen können sich Asperger-Betroffene intellektuell besonders hervortun. Asperger-Betroffene seien oftmals sehr analytisch und besäßen teilweise gute psychoanalytische Fähigkeiten. Sie seien gerechtigkeitsliebend und hilfsbereit und hätten oft eine sehr sensible Wahrnehmung. Aus diesem Grund meiden sie oftmals große Menschenansammlungen.
Freia Tiederle-Klanns Erfahrung ist, dass gegenseitige Offenheit dazu führen kann, dass das Miteinander zwischen Asperger-Betroffenen und neurotypischen Menschen gut funktioniert. Sie sage ihrer Tochter dann schon einmal in einem Gespräch, dass es jetzt genug sei, auch wenn ihre Tochter immer noch weitere Details ausdiskutieren wolle.Auch wenn sie und ihre Tochter unterschiedlich tickten, sei das Miteinander zwischen ihnen sehr gut.
Bei den Treffen der Asperger-Selbsthilfegruppe haben die Angehörigen schnell gemerkt, dass die Asperger-Betroffenen es genießen, untereinander zu kommunizieren. „Meine Tochter wollte keine Selbsthilfegruppe, bei der es nur um die mit dem Asperger-Syndrom zusammenhängenden Probleme geht“, berichtet Freia Tiederle-Klann, „ihr ging es vor allen Dingen darum, Freunde zu finden, die sie so annehmen können, wie sie eben ist, weil sie selbst genauso bzw. ähnlich ticken. “Probleme in Bezug auf den Umgang mit dem Asperger-Autismus können natürlich in der Gruppe auch besprochen werden, wovon vor allem die Angehörigen Gebrauch machen. Die Pandemiezeit war für die Gruppe kein Problem. Sie hat sich dann überwiegend im Limburger Garten der Familie, und nicht, wie sonst, im Raum der Selbsthilfekontaktstelle des Landkreises, in Limburg, getroffen.
Hin und wieder macht die Gruppe gemeinsam auch Ausflüge, auch ein gemeinsamer Weihnachtsmarktbesuch sei mal drin. Für sie sei es wichtig, dass Asperger-Betroffene in Schule und Ausbildung einen starken Rückhalt aus der eigenen Familie haben, aber auch Hilfen von entsprechenden Stellen und Institutionen annähmen, die ihnen dabei helfen könnten, sich anbahnende Konflikte in ihrem schulischen und beruflichen Umfeld zu lösen, bevor ernsthafte Problem daraus entstünden. Dann könnten ihrer Meinung nach Asperger-Betroffene, ebenso wie neurotypische Menschen, ein selbstbestimmtes und glückliches Leben führen.
Die heimische Selbsthilfegruppe Asperger Limburg-Diez trifft sich wieder am kommenden Samstag, 5. November, 17 bis 18.30 Uhr im Gruppenraum in der Diezer Str.13 in Limburg, wozu neue Interessentinnen und Interessenten aus der Region willkommen sind. Bei Fragen zur Selbsthilfegruppe und den Treffen bitte Freia Tiederle-Klann unter E-Mail Freia.Tiederle@gmx.de kontaktieren. © Landkreis Limburg-Weilburg