Am 1. Februar 1875 – also vor nunmehr 150 Jahren - wurde die erste Teilstrecke (Eschhofen – Niederselters) der Main-Lahn-Bahn (Taunusstrecke) in Betrieb genommen und Niederbrechen und Oberbrechen wurden damit Bahnstation. Dieses Jubiläum ist für den Arbeitskreis Historisches Brechen Anlass genug, sich mit der Geschichte der Eisenbahn, ihrer Bahnstrecken und markanten Gebäude in der Gemeinde sowie damit verbundenen Ereignissen, Geschichten, Erlebnissen und Kuriosita zu beschäftigen.
Zum einen steht in diesem Jahr die Rubrik „Bild des Monats“ (auf der Homepage des Arbeitskreises) unter dem Motto „150 Jahre Eisenbahn in Brechen, wo im monatlichen Wechsel historische Fotos zur Geschichte der Eisenbahn und ihrer markanten Gebäude in der Gemeinde gezeigt werden (https://www.gemeinde-brechen.de/gemeinde/arbeitskreis-historisches-brechen/bild-des-monats). Ergänzt und verlinkt werden die Fotos mit weitergehenden Informationen und Themenbeiträgen in der OnlineChronikBrechen (https://www.chronik-brechen.de/), in die auch weitere Ereignisse zum Thema „Bahn“ nach und nach aufgenommen werden.
Im Januar ist beispielsweise als „Bild des Monats“ ein Foto von Bauarbeitern im Bahnbereich von Niederbrechen zu sehen, aufgenommen zwischen 1911 und 1913 als die Bahnstrecke zweigleisig ausgebaut wird. Im Februar wird als „Bild des Monats“ der geplante Streckenverlauf einer Bahnverbindung zwischen Laubuseschbach über Oberbrechen, Niederbrechen und Werschau nach Kirberg gezeigt mit entsprechenden Informationen über diese angedachte Strecke, die nie gebaut worden ist (womit Niederbrechen und Oberbrechen die einzigen Bahnstationen der Gemeinde bleiben).
Parallel zu den Fotos und Informationen in der Rubrik „Bild des Monats“ und in der OnlineChronikBrechen bereitet der Arbeitskreis unter Federführung von Alexander Fischbach eine Ausstellung zum Thema vor, die erstmals im Sommer gezeigt werden wird (ebenso im November im Rahmen der Weihnachtsbuchausstellung der Bücherei Niederbrechen und der Hobbyausstellung in Oberbrechen). Geplant ist auch, im zweiten Halbjahr aus den gewonnenen Erkenntnissen ein Heft der Schriftenreihe Gemeindearchiv Brechen zu erstellen.
Viele Fotos, Unterlagen und Fakten liegen für die Ausstellung und das Heft bereits vor – sowohl Ausstellung wie auch das Heft sollen aber auch mit Geschichten und Geschichtchen angereichert werden. Gerade Pendler dürften viele „interessante“ und – im Nachhinein humorvolle - Begegnungen mit der Bahn gehabt haben. Wer hierzu Beiträge in Form von lustigen Begegnungen, Episoden oder Erlebnissen beitragen möchte, kann sich gerne mit Alexander Fischbach in Verbindung setzen (Tel. 06483 805 885 oder per Mail: info@brechen.de
Geschichtliches zur Bahnstrecke Limburg – Niedernhausen – Frankfurt (mit Blickpunkt auf die Geschichte der Gemeinde Brechen)
Überlegungen zum Bau einer Eisenbahnstrecke durch den Taunus gibt es bereits seit 1850, aber erst in preußischer Zeit erfolgt mit dem Gesetz vom 25.03.1872 die Genehmigung zum Bau einer Bahnstrecke zwischen Eschhofen und Camberg, die zunächst auf Staatskosten erfolgen soll, wovon aber bereits am 08.01.1873 per Gesetz wieder Abstand genommen wird. Letztlich erhält am 24.02.1873 die Hessische Ludwigsbahn, die bereits am 07.08.1872 für den Streckenabschnitt Frankfurt-Höchst bis Camberg eine Konzession erhalten hatte, die Konzession für die Weiterführung der Strecke bis nach Eschhofen. Eschhofen selbst war bereits mit der am 14.10.1862 erfolgten Freigabe des Streckenabschnitts Limburg – Weilburg im Zuge des Baus der Lahntalbahn Bahnstation geworden, so dass eine Streckenführung zwischen Frankfurt und Limburg gewährleistet war.
Da die preußische „Königliche Eisenbahn-Direktion“ in Wiesbaden per königlichem Erlass vom 24.06.1872 bereits mit dem Landerwerb angefangen hatte (und durch diesen Erlass mit umfangreichen Rechten - u.a. auch Enteignungsrechte – ausgestattet war), überlässt die Ludwigsbahn der Königlichen Eisenbahndirektion in Wiesbaden die mit dem Bahnbau verbundenen Rechtsgeschäfte (Landerwerb!) sowie den eigentlichen Bahnbau. D.h. die preußische Eisenbahndirektion führte „als Bevollmächtigte den Bahnbau im Namen und auf Rechnung der Ludwigsbahn durch“.
Der erste Teilabschnitt zwischen Eschhofen und Niederselters wird am 01.02.1875 eröffnet – ab diesem Termin sind Niederbrechen und Oberbrechen Bahnstation.
In einer Anzeige im Kreisgerichtsblatt Limburg vom 27.01.1875 ist zu lesen:
„Wir bringen hiermit zur Kenntnis, daß am 1. d. Mts. die Bahnstrecke Limburg – Niederselters für den Personen- und Güterverkehr eröffnet wird und vom genannten Tage ab der nachstehende Fahrplan in Kraft tritt:
Vormittags Nchm. Abds.
Aus Limburg 7.45 10.35 2.25 6.35
Aus Nieder-Brechen 7.59 10.59 2.49 6.59
Aus Ober-Brechen 8.11 11.11 3.01 7.11
In Nieder-Selters 8.20 11.20 3.10 7.20
Vrm. Mttg. Nchm. Abds.
Aus Nieder-Selters 8.55 12.00 3.50 8.00
Aus Ober-Brechen 9.10 12.15 4.03 8.09
Aus Nieder-Brechen 9.21 12.26 4.11 8.15
In Limburg 9.40 12.45 4.30 8.30
Sämmtliche Züge führen alle vier Wagen-Klassen.
Mainz, im Januar 1875 Der Verwaltungsrath“
Der zweite Teilabschnitt zwischen Niederselters und Camberg wird am 15.05.1876 eröffnet, die Teilstrecke bis Idstein am 12.07.1877 und die letzte Teilstrecke bis Frankfurt-Höchst am 15.10.1877. Die Strecke Niedernhausen nach Wiesbaden Hauptbahnhof wird erst am 01.07.1879 in Betrieb genommen.
Am 01.04.1897 wird die Hessische Ludwigsbahn verstaatlicht und die Strecke Limburg – Höchst der preußischen Eisenbahndirektion Frankfurt unterstellt.
Ab November 1907 wird zwischen Limburg und Camberg ein elektrischer Triebwagen („Akkumulatortriebwagen, Gattung AT 2“) eingesetzt – sozusagen eine erste Vorwegnahme der eigentlichen Elektrifizierung der Bahnstrecke 1986.
Mit dem steigenden Bahnverkehr und den Problemen einer eingleisigen Verkehrsführung erfolgt in den Jahren 1911 bis 1913 der zweigleisige Ausbau der Strecke, wobei die vorausschauende Planung beim Streckenbau 1875/77 hilfreich war, Trasse und Unterbau bereits für einen zweigleisigen Betrieb auszulegen.
Im Zuge der Besetzung der Ruhrgebietsbesetzung durch die Franzosen (23.01.1923) werden am 24.08.1923 auch die Grenzen rechtsrheinischer Brückenköpfe um Mainz und Koblenz nach Westen vorgeschoben, so dass das Gebiet des Goldenen Grundes in französischer Hand ist – und damit auch die Bahnstrecke, die nunmehr komplett in der Regie des französischen Militärs geführt wird („Regiebahn“). Als Teil des Widerstands gegen die französische Besatzung ruht allerdings der Bahnverkehr, was in der Region wiederum zu erheblichen Problemen führt, da viele Arbeitnehmer im Raum Frankfurt/Frankfurt-Höchst beschäftigt sind. Ab 30.11.2023 wird der Bahnbetrieb der Regiebahn wieder aufgenommen, der Fahrpreis ist in französischer Währung zu zahlen, die deutschen Bahnbediensteten stehen im Dienst der Regiebahn und erhalten ihr Gehalt in Franc ausgezahlt, die Bahnuhren werden der französischen Zeitzone angeglichen und eine Stunde zurückgestellt. Mit dem Abzug der Franzosen aus dem Goldenen Grund (September 1924) und aus Limburg (22.10.1924) und der Übergabe des Bahnbetriebs an die deutsche Bahnverwaltung am 15.11.1924, endet auch die „Regiebahn“-Episode.
Zum Ende des 2. Weltkrieges sind Bahnstrecke und Gleisanlagen Ziele von Luftangriffen durch die Alliierten. „Eine Eisenbahnfahrt war mit Lebensgefahr verbunden.“ heißt es in der Niederbrechener Pfarrchronik; der Zugverkehr kommt weitgehend zum Erliegen. In Niederbrechen sterben z.B. bei einem Luftangriff auf die Bahnstation am 20.02.1945 nachmittags drei Personen. Nach der Sprengung der Autobahnbrücke bei Limburg durch die deutsche Wehrmacht in der Nacht auf den 27.03.1945 blockieren Trümmerteile die darunterliegende Lahntalbahn, so dass Eschhofen für längere Zeit die letzte bzw. erste Bahnhaltestation wird. Der erste „Nachkriegslokalverkehr“ zwischen Eschhofen (bis zum Trümmerfeld der Brücke) und Camberg wird durch eine in Niederbrechen stationierte Dampflokomotive ermöglicht, die von den beiden Niederbrechener Lokführern Zwenger und Raas gefahren wird.
Zu einem der wenigen größeren Nachkriegsunfälle auf der Bahnstrecke kommt es am 12.05.1953, als zwischen Oberbrechen und Niederselters die Dampflokomotive 93 742 bei Gleisbauarbeiten in der Kurve "hinter der Haupt am Stein" entgleist, acht Meter tief den Bahndamm hinunterstürzt und samt Messwagen im Emsbach liegen bleibt. Heizer und Zugführer werden schwer verletzt, der Lokomotivführer kann nur noch tot geborgen werden.
Neben den altbewährten Dampflokomotiven kommen auf der Strecke Limburg – Frankfurt ab 1949/1950 bzw. 1952 Triebwagen und ab 1964 Diesellokomotiven zum Einsatz; die endgültige Umstellung auf Dieselloks beginnt 1966/1967, so dass zum Schluss lediglich bei einigen Güterzügen oder Arbeitszügen noch Dampflokomotiven genutzt werden. Der Betrieb mit Dampflokomotiven endet 1972, offiziell am 28.10.1973 mit einer Dampf-Abschiedsfahrt (aber nicht durch den Goldenen Grund!) und einem „Tag der offenen Tür“ am Bahnhof Limburg.
Mit Beginn des Sommerfahrplans am 26.05.1974 nimmt der Frankfurter Verkehrsverbund (FVV) seinen Betrieb auf, zu dem auch ein Teil der Bahnstrecke Limburg – Frankfurt (bis Niedernhausen) gehört. Am 28.05.1978 wird der Betrieb der S-Bahn Rhein-Main aufgenommen und Niedernhausen Endstation der von Frankfurt kommenden Linie S2.
1982 beginnen die Planungen und 1984 die Baumaßnahmen für eine Elektrifizierung der Strecke Limburg – Niedernhausen. Im Bereich Niederbrechen bzw. Oberbrechen gehen damit eine Reihe von Umbaumaßnahmen und Veränderungen einher, u.a. Abbruch und Erneuerung der Eisenbahnbrücke in Niederbrechen, Ausbau der Ladestraße entlang der Gaststätte Waldesruhe und des Lagers der Firma Möhn in Niederbrechen, Änderungen des zweiten Bahnsteigs in Niederbrechen und Oberbrechen, Bau einer Gleisunterführung am Bahnhof Niederbrechen und einer Fußgängerbrücke als Gleisüberführung am Bahnhof Oberbrechen, Schließung des Bahnübergangs Flachsau, Beseitigung von Stellwerken, Ersetzen des Bahnübergangs an der Berger Kirche durch eine Unterführung (so die damaligen Überlegungen, die nicht umgesetzt werden), Errichtung von Park and Ride-Anlagen an den Bahnhöfen Niederbrechen und Oberbrechen usw.
Die erste Fahrt eines Zugs mit Elektrolokomotive auf der Bahnstrecke Limburg-Niedernhausen erfolgt am 20.09.1986, der um 10:54 Uhr im Bahnhof Niederbrechen mit Musik „und großem Bahnhof“ begrüßt wird.
Am 01.12.1986 werden in Niederbrechen die ersten P+R-Plätze freigegeben; am 26.04.1988 werden dann in Niederbrechen 235 und in Oberbrechen 38 Pendlerparkplätze offiziell ihrer Bestimmung übergeben.
Auf der Bahnstrecke Limburg - Frankfurt werden ab dem 20.03.1995 Doppelstockwagen eingesetzt. Als Nachfolger des seit 1974 existierenden Frankfurter Verkehrsverbundes (FVV) startet am 28.05.1995 der Rhein-Main-Verkehrsverbund, der auch die Linie Limburg – Niedernhausen umfasst.
(Text entnommen einem Themenbeitrag der OnlineChronikBrechen [https://www.chronik-brechen.de/zur-geschichte-der-bahnstrecke-limburg-niedernhausen-frankfurt]; besonders hingewiesen sei auf das sehr informative Buch „Die Eisenbahngeschichte des Goldenen Grundes“ von Friedrich Schiemenz (1978, 144 S.), das viele weitergehende Informationen zur Eisenbahngeschichte der Region liefert)
© Gregor Beinrucker